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Kapitel 10

Aiden McGregor, der Erste Offizier der U.S.S. Tycho, hatte sein Frühstück in der Offiziersmesse beendet und näherte sich dem Ausgang, um sich auf den Weg zur Brücke zu begeben. Der Schichtwechsel – und damit der Start des ersten Tests von «Echo» – stand bevor.

«Commander!», begrüsste ihn der bolianische Chief Science Officer, Zelan Morro, der mit einem Getränk in der Hand rasch zu ihm aufschloss.

«Mr. Morro, guten Morgen.» McGregor hielt kurz inne und blickte fragend auf Morros Becher. «Bolianisches Tonic?»

«Absolut. Nur gute Tage beginnen mit heissem Tonic.» Er grinste und nahm einen genüsslichen Schluck.

McGregor lächelte und setzte sich wieder in Bewegung. «Na, dann kann ja nichts mehr schiefgehen heute.»

Die Türen des Turbolifts öffneten sich mit dem gewohnten Zischen, als sich die beiden Offiziere näherten. McGregor streckte seinen Arm in gastgeberischer Manier aus, um Morro den Lift zuerst betreten zu lassen.

Morro nickte dankend, trat in den Lift und drehte sich mit Blick zur Tür.

McGregor folgte und stellte sich neben seinen Kollegen, ebenfalls zur Tür gerichtet. «Computer, Brücke!» Die Türen schlossen sich und der Lift nahm Fahrt auf. Es verstrichen wenige Sekunden in Stille, dann runzelte McGregor die Stirn. «Wollen Sie dem Computer nicht auch Ihr Ziel nennen?»

Nun war es an Morro, die Stirn zu runzeln. «Die Brücke ist mein Ziel, Sir.»

Der Erste Offizier vertiefte seine Runzeln und blickte Morro an. «Werden Sie nicht im Labor gebraucht? Oder haben Sie schon vergessen, dass wir um 0800 mit dem ersten Test loslegen?»

«Oh…» Morros Verwirrung wich einem peinlich berührten Ausdruck. «Hat sie Commander Ramirez etwa nicht informiert, dass wir den Test verschoben haben?»

McGregor kniff seine Augen zusammen und blickte wieder nach vorne. Nach einem Moment bedrückender Stille meinte er zähneknirschend: «Offenbar… nicht.»

Der Lift bremste ab und die Türen öffneten sich. Morro war sichtlich froh, dass die Fahrt bereits zu Ende war und verliess hastig die Liftkapsel. McGregor folgte ihm verärgert hinaus auf die Brücke, auf der sich zum Schichtwechsel noch beide Schichten Gamma und Alpha tummelten. Die übrigen Führungsoffiziere waren ebenfalls alle versammelt.

Als Commander Ramirez die beiden Ankömmlinge erblickte, löste sie sich ein wenig aus der Traube, die die Offiziere in der Mitte der Brücke gebildet hatten und räusperte sich.

«Guten Morgen allerseits. Jetzt, da wir vollzählig sind: Darf ich kurz um Aufmerksamkeit bitten?» Sie wartete, bis die Gespräche der Reihe nach verstummten.

«Vielen Dank. Wir sind alle gespannt darauf, den ersten Test von ‹Echo› zu starten, der ursprünglich für jetzt angesetzt war.» Sie legte eine kurze Pause ein und blickte einigen der Anwesenden in die Augen. McGregor zeigte ihr subtil und doch offensichtlich seine Missbilligung, was sie kurz aus dem Takt brachte. «Ähm… Aufgrund der enormen Bedeutung des Projekts habe ich beschlossen, vor dem Start eine Überprüfung der Sicherheitsvorkehrungen vorzunehmen, bei der uns Lieutenant Commander Soral unterstützen wird.» Sie deutete auf die Andorianerin, die das Treiben bisher aus gebührlichem Abstand beobachtet hatte und nun grüssend nickte. «Mir ist klar: Das bedeutet eine kurze Verzögerung, aber ich bin überzeugt, dass diese Vorsichtsmassnahme uns allen zugutekommt. Es unterstreicht unser Engagement für Sicherheit und erhöht unsere Chancen auf einen reibungslosen und erfolgreichen Test. Wie lange sich der Test verzögert, ist natürlich abhängig von den Ergebnissen der Überprüfung. Bis dahin bitte ich alle Abteilungen, diese Zeit konstruktiv zu nutzen. Sobald ich mehr Klarheit habe, informiere ich Sie umgehend. Wir bleiben so lange auf unserem eingeschlagenen Kurs. Gibt es Fragen?»

Die Offiziere blickten sich an. Manche wirkten überrascht, andere zuckten in Gleichgültigkeit mit ihren Achseln.

«Gut. An die Arbeit!» Sie lächelte aufmunternd.

Soral beobachtete die Crew, die sich nun auf den Weg zu ihren Posten machten. Sie bemerkte McGregors verärgerte Körperhaltung. Ihr Augenmerk galt jedoch vor allem Zariah Veena und Giancarlo Conti, die einen längeren Blick untereinander austauschten. Conti nickte Veena beinahe unmerklich zu, die sich daraufhin prüfend umsah, ob sie beobachtet wurde. Soral wandte rechtzeitig ihren Blick ab und verfolgte aus den Augenwinkeln, wie Veena sich nun auf den Weg zum hinteren Turbolift machte und dabei immer wieder einen vorsichtigen Blick über ihre Schulter warf. Sie konnte sehen, wie Veena im Vorbeigehen einen kleinen Gegenstand auf die Operations-Konsole legte – der Konsole von Lieutenant Conti. Kaum war Veena aus dem Blickfeld verschwunden, begab sich Conti zielstrebig an seine Konsole und steckte rasch den Gegenstand ein, den Veena hingelegt hatte.

Anna Ramirez trat an Soral heran, legte ihr die Hand auf den Arm und sprach mit gesenkter Stimme: «Sobald Sie wissen, ob und wann wir den Test starten können, höre ich als Erste davon.»

«Verstanden, Ma’am», entgegnete Soral ebenso leise, ohne mit der Wimper zu zucken.

Ramirez klopfte mit ihrer Hand bestätigend auf Sorals Arm und begab sich in ihren Bereitschaftsraum. Es vergingen zwei Sekunden und McGregor folgte ihr.


Kaum hatten sich die Türen ihres Bereitschaftsraums hinter Ramirez verschlossen, ertönte der Türsummer. «Herein!», rief Ramirez und drehte sich zur Tür um.

Aiden McGregor schritt durch die Tür und wartete kurz, bis sie sich wieder geschlossen hatte. Dann schnaubte er entrüstet: «Wieso muss ich als Erster Offizier von Morro erfahren, dass der Test verschoben wurde? Ich sollte in solche Entscheidungen einbezogen oder zumindest unmittelbar darüber informiert werden.»

«Oh.» Anna Ramirez nickte zögernd, als ihr das Versehen langsam bewusst wurde.

«Das ist schlechter Führungsstil! Und diese Andorianerin… Hat sie jetzt schon das Sagen hier und niemand weiss davon – oder was läuft da?», schob McGregor nach und stemmte seine Hände in die Hüften.

Ramirez, soeben noch im Begriff, verständnisvoll zu reagieren, fühlte sich nun angegriffen: «Hey! Vorsicht, Commander.» Sie blickte ihn einen Augenblick streng an. Dann ging sie um ihren Schreibtisch herum und setzte sich.

Mit kühler Stimme fuhr sie fort: «Wo wir schon über Führungsstil sprechen: Mit Ihrer Körpersprache da draussen haben Sie allen gezeigt, dass wir als Duo noch nicht funktionieren.»

McGregor wollte erwidern, doch Ramirez hob ihre Hand und unterbrach ihn damit, bevor er sprechen konnte. «Ich bin noch nicht fertig. In Zukunft erwarte ich, dass Sie vor der Crew eine geschlossene Linie zeigen. Ohne Ausnahme. Ob Sie im Bilde sind oder nicht. Kritik wird unter vier Augen geäussert. Wegtreten!»

«Unter vier Augen? So wie jetzt?», verteidigte sich McGregor.

«Ich sagte: Wegtreten.» Ramirez blickte ihn mit versteinerter Miene an.

McGregor stand noch einen Augenblick da. «Unter Protest», gab er bei und fügte betont an: «Captain.» Dann wandte er sich ab und verliess den Bereitschaftsraum.

Nachdem sich die Türen hinter McGregor geschlossen hatten, sass Ramirez noch einen Moment angespannt da, bevor sie sich erhob und mit leicht zitternden Händen an der Tischkante festhielt. Sie schloss ihre Augen und atmete ein paar Mal tief ein und aus. Als sie ihre Augen wieder öffnete, ballte sie ihre Hände zu Fäusten und schlug auf den Tisch. «Verflucht, das kannst du besser, Anna Maria Ramirez Sanchez!»