Kapitel 7
AmDer Schreibtischkleine desBereitschaftsraum Bereitschaftsraumsan vonBord Commanderder RamirezTycho standenwar eine Mischung aus modernem Design und funktionaler Nüchternheit. Das leise Summen der Warp-Triebwerke war im Hintergrund kaum wahrnehmbar, ein beruhigendes Geräusch, das die Stille füllte. Die Beleuchtung war dezent, mit weichen Lichtbändern an den Wänden und einer zentralen Leuchte über dem eleganten, futuristischen Schreibtisch, vor dem auf dem Boden zwei Kisten voller persönlicher Gegenstände standen. Der Raum roch frisch, eine Mischung aus der sterilen Reinheit der Luftfilter und einem Hauch von Politur. Der Boden war mit persönlicheneinem Gegenstädicken Teppich ausgelegt, der bei jedem Schritt ein gedämpftes, weiches Gefühl vermittelte. Pflanzen an den Wänden und eine kleine Bonsai-Pflanze auf dem Boden,runden dieTisch vomvor Shuttleder WhisperCouch hierhergebrachtgaben worden waren. Derdem Raum dienteeinen denHauch Captainsvon des Schiffs als persönliches Büro und als Rückzugsraum. Der Schreibtisch und dazugehörige Sitze befanden sich auf der Höhe der Tür, während das langgezogene Sofa unterhalb der Fensterfront auf einer um zwei Stufen erhöhten Empore stand. Dort war auch der Replikator untergebracht, mit der sich die Kommandierende Offizierin um ihr leibliches Wohl kümmern konnte.Leben. Die Fensterfront war frontal ausgerichtet, sodass man von hier aus immer in Flugrichtung sehen konnte – ebenso wie im Konferenzraum, der spiegelbildlich auf der anderen, der Backbord-Steuerbord-Seite der Brücke untergebracht war. Entsprechend konnte man durch die Fenster anhand der langgezogenen Lichtstreifen der vorbeiziehenden Sterne erkennen, dass das Schiff sich gerade in Warp-Geschwindigkeit vorwärts bewegte.
Die Wände waren kahl, und es gab keine Pflanzen. Noch wirkte der Raum sehr nüchtern, kalt und unbewohnt. Kein Wunder, hatte ihn Ramirez seit ihrer Ankunft an Bord der Tycho nur einmal kurz aufgesucht.
Die Tür öffnete sich, Anna Ramirez betrat den Raum und begab sich zum Schreibtisch. Hinter ihr erschien T’Lora Soral, die grossgewachsene andorianische Verbindungsoffizierin zum Geheimdienst.
«Mrs. Soral, bitte nehmen Sie Platz.» Commander Ramirez deutete auf die Sitze vor dem Schreibtisch.
«Danke, Commander. Ich bleibe gern stehen, wenn es Ihnen recht ist.» Sie stellte sich breitbeinig hin und verschränkte die Arme hinter ihrem Rücken.
«Wie Sie wünschen.» Ramirez überlegte, wo sie sich hinsetzen sollte, bevor sie sich dafür entschied, halb auf der Kante ihres Schreibtischs zu sitzen bzw. sich halb daran anzulehnen. «Dann schiessen Sie mal los! Admiral Dunleavy hat in meinem persönlichen Mission Briefing kein Wort davon erwähnt, dass er mir eine Intelligence Liaison Officer zuweisen würde.»
«Mein Versetzungsantrag hat seinen Weg erst zum Admiral gefunden, da hatten Sie meines Wissens Ihr Briefing schon hinter sich. Um es kurz zu machen: Mir liegen Informationen von zwei vertrauenswürdigen und unabhängigen Quellen auf Cardassia vor, die nahe legen, dass sich ein oder mehrere Spione bzw. Saboteure des Dominions an Bord befinden.»
Ramirez war bestürzt. «Das sind schlechtere Nachrichten, als ich erwartet habe!»
«In der Tat, Commander. Darum habe ich sofort meine Versetzung als Liaison Officer verlangt. Meine Aufgabe ist also zu verhindern, dass die Echo-Technologie dem Dominion in die Hände fällt oder das Projekt sabotiert wird.» Sorals Antennen beugten sich nach vorne. «Ich teile diese streng geheime Information mit Ihnen aus verschiedenen Gründen: Erstens sind sie der Tycho erst zugewiesen worden, nachdem mir die geheimdienstlichen Informationen über Spione oder Saboteure an Bord bereits vorlagen. Das senkt signifikant die Wahrscheinlichkeit, dass Sie einer der Maulwürfe sind. Zweitens wird es vermutlich zu Situationen kommen, in denen es für den Erfolg der Mission kritisch ist, dass Sie Ihre Entscheidung auf Basis dieses Wissens treffen.»
«Absolut», bekräftigte Ramirez und grübelte. «Nach dieser Logik müsste auch Lieutenant Commander Keva als Verdächtige entfallen, richtig? Denn ich habe sie naturgemäss erst rekrutiert, nachdem ich das Kommando erhalten hatte.»
«Ganz ausschliessen können wir zum jetzigen Zeitpunkt nichts. Nur: Die Wahrscheinlichkeit, dass Mrs. Keva eine Agentin des Dominions ist, liegt dadurch noch tiefer als in Ihrem Fall, Commander. Das ist richtig.» Soral hob mahnend den Finger. «Ich muss Sie dennoch darauf hinweisen, dass die Informationen, die ich soeben mit Ihnen geteilt habe, streng geheim und ausschliesslich für Sie als Kommandierende Offizierin gedacht sind. Sie weiter zu teilen, selbst mit Ihrer Zweiten Offizierin Keva, erhöht das Risiko eines Informationslecks unnötig.»
«Sie haben recht. Wir behalten das für den Moment unter uns zwei. Alle anderen an Bord müssen wir entsprechend als potenzielle Agenten und Agentinnen des Dominions einstufen, richtig?»
«Richtig, Ma’am. Ich werde sofort meine Untersuchung beginnen und Massnahmen zur Spionageabwehr implementieren. Dazu benötige ich als erstes Ihre Bestätigung, dass ich meinen Dienst als Verbindungsoffizierin an Bord aufnehmen kann und die entsprechenden Weisungsbefugnisse erhalte.» Soral reichte Ramirez das PADD, das sie im Transporterraum bereits Rostov unter die Nase gehalten hatte.
Ramirez nahm es entgegen und studierte die Angaben einen stillen Moment lang. Dann aktivierte sie den Computer per Sprachbefehl: «Computer.» Es erklang der Aktivierungston. «Eintrag ins Logbuch als amtierende Captain. Hiermit tritt Lieutenant Commander T’Lora Soral mit sofortiger Wirkung und bis auf Weiteres ihren Dienst als Senior Intelligence Liaison Officer an Bord der Tycho an. Sie erhält für die Erfüllung dieser Rolle die entsprechenden Kompetenzen. Sie berichtet ausschliesslich an mich und Captain Gralok vom Geheimdienst der Sternenflotte.»
«Bestätigt», antwortete der Computer. «Logbucheintrag vermerkt.»
Ramirez gab Soral das PADD zurück. «Sonst noch etwas, was ich wissen sollte, Lieutenant Commander?»
«Ja. Bitte stellen Sie der Crew gegenüber meine Anwesenheit als reine Routine bei Missionen wie dieser dar, die eine gewisse Geheimhaltungsstufe erfordern. Wir wollen so wenig wie möglich Staub aufwirbeln.»
«Abgemacht.»
«Ausserdem erwarte ich, dass Sie zu jeder Tages- und Nachtzeit für mich verfügbar sind», ergänzte Soral.
Ramirez hob die Augenbrauen und wich Sorals Forderung aus. «Ihre Erwartung ist notiert. Wenn das alles ist: Gute Jagd, Mrs. Soral. Wegtreten.»
«Danke ebenso, Ma’am.» Soral deutete mit ihrem Kopf eine leichte Verbeugung an und verliess den Raum.
Als sich die Türen schlossen, richtete sich Anna Ramirez auf und streckte sich. Sie wirkte auf einmal müde. «Worauf habe ich mich hier nur eingelassen», murmelte sie, drehte das Computer-Terminal auf ihrem Schreibtisch zu sich und aktivierte es. Sie rief die Besatzungsliste auf und sah sich der Reihe nach die Akten ihrer Offiziersriege an.
Nach einer Weile gähnte sie erschöpft und deaktivierte den Computer. Dann sah sie sich um und ihr Blick fiel auf die Kisten, die nach wie vor auf dem Boden standen. Sie hob sie auf und stellte sie behutsam auf den Schreibtisch.
Die Commander entnahm einer Kiste ein paar persönliche Gegenstände und stellte sie im Raum zur Dekoration auf. Ein Foto, auf dem sie selbst, ihre Mutter sowie vermutlich ihr Vater und zwei jüngere Geschwister zu sehen waren, stellte sie auf den Schreibtisch. Ein Lächeln huschte über ihre Lippen. Daneben legte sie einen ein kleines Amulett aus Metall, über das sie beinahe zärtlich strich. Als nächstes nahm sie ihr eingerahmtes Offizierspatent in die Hand, legt es jedoch rasch beiseite, denn ihr Blick fiel auf das darunter liegende Jahrgangsfoto.
Sie ergriff das längliche Bild und hob es empor, um es sich näher anzuschauen. Es war darauf eine Gruppe Kadetten zu sehen, die vor der Akademie der Sternenflotte stolz mit ihren Offizierspatenten in der Hand posierten. Mit einem Finger fuhr sie über die Stelle, auf der sie selbst zu sehen war – direkt neben einem bolianischen Kadetten, der eindeutig als jüngere Version von Zelan Morro zu erkennen war. Beide hatten ein breites Lächeln im Gesicht und je einen Arm um die andere Person gelegt.
So, wie es nur beste Freunde tun.
Anna Ramirez atmete hörbar ein. Ihr Blick verriet Wehmütigkeit.
Als Commander Ramirez ihren Bereitschaftsraum verliess und zurück auf der Brücke in Richtung Turbolift schritt, blickten alle anwesenden neugierig und gespannt auf sie. Nach ein paar Sekunden realisierte sie, dass alle Augen auf sie gerichtet waren.
«Was?» fragte sie verständnislos in die Runde.
Rostov, der hinter seiner Konsole am nächsten stand, fragte: «Ma’am, was hat Ihnen Lieutenant Commander Soral gesagt? Als Verantwortlicher für die Sicherheit an Bord des Schiffs sollte ich im Bilde sein, falls eine Gefahrenlage besteht.»
McGregor erhob sich aus seinem Sessel in der Mitte der Brücke und näherte sich ein paar Schritte. «In meiner Rolle als Erster Offizier geht es mir da ähnlich, Commander.» Er blickte sie fragend an.
«Meine Herren, Sie können ganz entspannt sein.» Ramirez winkte ab. «Mrs. Sorals Anwesenheit ist reine Routine. Sie wissen ja: Wir sind auf geheimer Mission, da müssen wir die eine oder andere Zusatzmassnahme treffen. Eine Verbindungsoffizierin zum Geheimdienst an Bord zu haben, ist eine davon. Das ist unter diesen Umständen nichts Ungewöhnliches, machen Sie sich keine Gedanken.» Anna Ramirez lächelte. «Und wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, es waren drei sehr lange Tage und ich brauche jetzt eine Pause.»
«Natürlich, Ma’am. Gute Nachtruhe.» Rostov nickte verständnisvoll.
«Bis morgen, Ma’am», fügte McGregor hinzu, weiterhin mit skeptischem Blick, und Ramirez verschwand im Turbolift.