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Kapitel 5

Lieutenant Commander Keva B’Rala sass auf einem der Biobetten in der Krankenstation. Sie hatte ihre Uniformjacke ausgezogen und neben sich gelegt. Weder die Kanten auf ihrem Nasenrücken noch ihre Ohrenspitzen waren übermässig ausgeprägt, aber ihre bajoranische und vulkanische Abstammungen war nicht zu leugnen.

Neugierig blickte sie sich um. Die Krankenstation der U.S.S. Tycho, in gedämpftes Licht getaucht, war ein Inbegriff vulkanischer Sternenflotten-Effizienz. Alle Geräte waren sorgfältig aufgeräumt, alles hatte seinen Platz. Der dezente Geruch von antiseptischen Mitteln hing in der Luft. Ihr Blick kehrte zur Vulkanierin zurück, die neben ihr stand und sie in bester vulkanischer Stoik mit einem medizinischen Tricorder untersuchte.

«Diese Krankenstation ist also auch mit Holoemittern ausgestattet», bemerkte Keva anerkennend.

«Wie alle Schiffe der Intrepid-Klasse», stellte die Ärztin nüchtern fest. «Lieutenant Veena gibt Ihnen sicher gerne einen Überblick über die technischen Spezifikationen des Schiffs.»

«Danke, hat sie schon. Wobei ich die Spezifikationen schon vorab studiert habe», versicherte Keva rasch und kehrte ihre vulkanische Seite hervor. «Verzeihen Sie, mit der Bemerkung wäre ich fast ins Plaudern gekommen.»

«Keine Ursache. Mir war nicht bewusst, dass Sie als Halbvulkanierin ein Bedürfnis an Plauderei haben.» In einer für Vulkanier typischer Manier zog sie ihre linke Augenbraue hoch.

«Dieses Bedürfnis habe ich wohl mehr als Halbbajoranierin. Und es hilft meistens dabei, neue Kollegen kennen zu lernen und Beziehungen aufzubauen. Was logischerweise mit Vulkaniern nicht funktioniert.»

«Logisch.» Ohne Gefühlsregung betätigte die Ärztin einige Tasten auf ihrem Tricorder, bevor sie ihn zusammenklappte. «Sie befinden sich in guter Gesundheit, Mrs. Keva. Sie können Ihren Dienst antreten. Ein paar Stressindikatoren zeigen allerdings erhöhte Werte. Wann haben Sie zuletzt meditiert?»

«Das ist schon länger her», versuchte Keva sich zu erinnern, während sie vom Biobett herabstieg und sich ihre Uniformweste wieder anzog. «Und im Augenblick habe ich andere Sorgen. Wir müssen die Energiezuführung zum fünften Echo-Modul stabilisieren.»

In diesem Moment ertönte über die Sprechanlage die Stimme des Ersten Offiziers. «McGregor an alle leitenden Offiziere. Bitte begeben Sie sich zur Einsatzbesprechung in den Konferenzraum auf Deck 1. McGregor, Ende.»

Die Vulkanierin tippte auf ihren Kommunikator. «Keva und T’Laal unterwegs, Sir.» An Keva gewandt, sagte sie: «Über ihre Meditationsdisziplin sollten wir uns noch unterhalten.»

«Wenn es sein muss, Doktor», erwiderte Keva nicht sonderlich begeistert, als die beiden die Krankenstation verliessen.


Sofia Ramirez stand wartend am Tisch des Konferenzraums, an dem noch zwei Sitze leer waren, und beobachtete ihr Offiziere, die sich unterhielten. Hinter ihr war aus dem Fenster das Weltraumdock und ein kleiner Ausschnitt der Erde zu sehen. Die Tür öffnete sich mit dem typischen Laut und die Offiziere Conti und Morro traten ein.

Conti lief zielstrebig mit breitem Lächeln und ausgestreckter Hand auf Ramirez zu. «Ma’am! Wundervoll, Sie endlich zu treffen. Giancarlo Conti, zu Ihren Diensten. Entschuldigen Sie, wir waren bis jetzt voll mit der Kalibrierung von Modul 5 beschäftigt.»

«Mr. Conti, die Freude ist ganz meinerseits. Richtig so, dass Sie sich auf die Inbetriebnahme von Echo konzentrieren. Bitte nehmen Sie Platz, ich werde Sie nicht lange von der Arbeit abhalten.»

Während der Südeuropäer sich an den Tisch setzte und mit einem Nicken die restlichen Offiziere grüsste, stand Morro noch in der Nähe des Eingangs. Er und Ramirez blickten sich aus der Distanz einen unangenehm langen Moment still an.

«Lieutenant Commander Morro», ergriff Ramirez schliesslich das Wort. «Man sieht sich wohl tatsächlich immer zwei Mal im Leben.» Ihre Worte wirkten kühl, ihre Miene versteinert. Die Offiziere am Tisch beobachteten die Begegnung mit grossen Augen. Die Spannung im Raum war für alle deutlich spürbar.

«In der Tat, Commander Ramirez», entgegnete Morro ebenso distanziert und wartete ab.

Ohne weitere Höflichkeitsfloskeln zog Ramirez ihren Stuhl von der Tischkante weg, setzte sich hin und eröffnete die Besprechung. Morro nahm ebenso Platz.

«Meine Damen und Herren», übertünchte Ramirez professionell die angespannte Situation, die sich soeben abgespielt hatte. «Sie sind meines Wissens alle schon über unsere Mission im Bilde. Ich erspare mir also ein detailliertes Briefing und möchte die letzten Informationen austauschen, bevor wir das Orbitaldock verlassen.»

Sie warf einen Blick auf das PADD vor ihr auf dem Tisch. «Zwei Punkte zur Personalsituation. Erstens: Wir erwarten noch die Ankunft von Lieutenant Commander T’Lora Soral als Verbindungsoffizierin zum Geheimdienst. Kennt sie jemand hier?»

Morro hob die Hand. «Seit gestern, wobei kennen zu viel gesagt ist. Sie hat mich kontaktiert.»

Ramirez hob die Augenbrauen. «Etwas, was sie in dieser Runde teilen können?»

«Tut mir leid, streng geheim», verneinte Morro. «Sie werden sicher ein Briefing direkt von ihr erhalten, sobald sie an Bord ist.»

«Schicken Sie sie zu mir, sobald sie angekommen ist», wies Ramirez ihren Ersten Offizier an, der schweigend nickte. Sie fuhr fort: «Danke. Zweitens möchte ich Sie alle informieren, dass ich die offene Rolle der Zweiten Offizierin an Lieutenant Commander Keva B’Rala übertragen habe. Unsere Kommandokette ist damit wieder vollständig. Ich bitte Sie, Mrs. Keva ihre Arbeit in dieser zusätzlichen Rolle tatkräftig zu unterstützen.»

Zum ersten Mal in den letzten Minuten huschte ein Lächeln über ihre Lippen. «Gratulation, Lieutenant Commander.»

Die Offiziere brachten sich der Reihe nach kurz auf den jeweilig letzten Stand der Dinge. Nach einer Viertelstunde waren alle Informationen ausgetauscht. Die Echo-Technologie war verbaut und eingerichtet, wenn auch das letzte Modul noch Instabilitäten zeigte. Ramirez schloss die Einsatzbesprechung: «Vielen Dank, wegtreten. Mr. Morro, bleiben Sie bitte noch.»

Die Kommandantin und der Wissenschaftler blieben sitzen, während sich die restlichen Offiziere erhoben und den Raum durch die verschiedenen Ausgänge verliessen. Als sich die Türen wieder schlossen, ergriff Ramirez das Wort. «Zelan, wir müssen ein paar Spielregeln aufstellen, wenn diese Mission ein Erfolg werden soll.»

«Ich höre?»

«Wir vergessen die Vergangenheit. Wir vergessen die U.S.S. Oppenheimer und wir konzentrieren uns auf die Gegenwart. Auf das Hier und Jetzt. Es steht zu viel auf dem Spiel, als das persönliche Interessen eine Rolle spielen dürfen.»

«Einverstanden.» Morro war wortkarg.

«Und diesmal bin ich amtierende Captain, nicht Ensign wie letztes Mal. Jedes Risiko durch die Echo-Technologie beurteile ich, und zwar in letzter Instanz. Mein Wort gilt.»

«Wenn da nicht die Vergangenheit schon wieder hineinspielt, die wir eben noch vergessen wollten», monierte Morro süffisant. «Aber selbstverständlich, Commander. Ihr Wort gilt.»

Ramirez beobachtete den Wissenschaftler misstrauisch, bevor sie schnippisch entgegnete: «Sparen Sie sich die Spitzfindigkeiten, Lieutenant Commander.» Dabei betonte sie seinen niedrigeren Rang. «Ich erwarte ausserdem, dass Sie mir keine Informationen vorenthalten, die für unsere Mission, Besatzung oder Schiff kritisch sind. Streng geheim hin oder her. Verstanden?»

«Aye, Commander. Ich schlage vor, dass Sie das auch dem Geheimdienst sagen», liess sich Morro erneut zu einem aufsässigen Kommentar hinreissen.

«Lassen Sie das meine Sorge sein. Das wär’s, wegtreten.» Sofia Ramirez ergriff entnervt das PADD vor ihr und war im Begriff, sich von Morro abzuwenden.

«Nicht ganz», widersprach Morro nonchalant. «Ich hätte auch noch eine Spielregel.»

Ramirez schien sich verhört zu haben. «Wie bitte?» blickte sie Morro ungläubig an.

«Du hast schon richtig gehört, Sofia», wechselte Morro plötzlich auf den Vornamen und beugte sich fordernd nach vorne. Er stiess seinen ausgestreckten Zeigefinger energisch auf die Tischplatte. «Ich erwarte im Gegenzug, dass du dich ausführlich mit der Sensortechnologie vertraut machst. Dass du dir die Mühe machst, ihr ganzes Potenzial zu erkennen. Dass du neben den Leuten an Bord auch an all diejenigen denkst, für die wir damit den Krieg beenden können. Dass Echo grösser ist als du und ich zusammen.»

Nun erhob sich Ramirez grimmig aus ihrem Sessel, stützte sich mit geballten Fäusten auf dem Tisch ab und sagte mit eisiger Stimme von oben herab: «Mr. Morro, der einzige Grund, weswegen ich dieses Himmelfahrtskommando übernommen habe, ist das Potenzial dieser Technologie. Bilden Sie sich keine Sekunde ein, dass ich hier bin, nur um Sie bei Ihrer Arbeit zu schikanieren. Das ist mir keine Sekunde meiner Lebenszeit wert! Aber wenn ich feststellen muss, dass Sie zu leichtfertig mit den Risiken umgehen, werde ich Sie höchstpersönlich vor ein Kriegsgericht stellen. Weg-tret-en!» Sie zeigte mit ausgestrecktem Arm energisch auf die nächstgelegene Tür.

Morro erhob sich gemächlich. «Gut, dann sind wir uns ja zumindest in diesem Punkt einig», fasste er zusammen und verliess den Raum.