Skip to main content

Kapitel 4

«Da ist sie», meinte die vulkanische Bajoranerin am Steuer des Raumshuttles und blickte neugierig durch den durchsichtigen Ansichtsschirm vor ihr. Aufgrund ihrer gemischten Abstammung war ihr Alter nicht ganz eindeutig zu bestimmen, lag aber vermutlich zwischen 40 und 50 Jahren.

Sofia Ramirez, die neben ihr sass, wandte ihren Blick vom PADD in ihrer Hand ab und folgte erwartungsvoll den Augen der anderen Offizierin.

Das Shuttle befand sich im Anflug auf das Raumdock im Orbit der Erde, in dem die U.S.S. Tycho für ihre Mission ausgerüstet wurde. Die Sonne stand mittlerweile hinter dem Planeten, sodass das Raumschiff nur durch die Scheinwerfer des Raumdocks beleuchtet wurde.

«Mrs. Keva, lassen Sie uns mit gebührendem Abstand eine extra Runde drehen, damit wir einen guten Rundumblick bekommen», wies Ramirez die Pilotin an.

«Aye, Ma’am.» Keva betätigte ein paar Tasten und blickte wieder auf die Tycho. «Es scheint, als wären alle fünf Echo-Module schon installiert.»

Ramirez erhob sich aus ihrem Sitz und streckte ihren Hals, um einen guten Blick auf die Tycho zu erhaschen. «Sie wirkt flacher als auf den Schaubildern.»

Keva musste lächeln. «Und, wie fühlt sich das an – der erste Blick aufs erste eigene Schiff?» fragte sie.

«Unvergesslich!» antwortete Ramirez und konnte sich nun ebenfalls ein breites Grinsen nicht verkneifen. «Schön, dass wir diesen besonderen Moment zusammen erleben dürfen.» Sie legte Keva eine Hand auf die Schulter und wurde persönlich: «Überhaupt bin ich Ihnen sehr dankbar, B’Rala, dass Sie mich auf dieser besonderen Mission begleiten. Es bedeutet mir sehr viel, ein vertrautes Gesicht auf der Tycho zu haben.»

«Es ist mir eine Ehre, Sofia.» Keva drückte kurz Ramirez’ Hand, die auf ihrer Schulter lag. «Und ich hätte es Ihnen übelgenommen, wenn Sie mich nicht auf diese Mission mitgenommen hätten.»

«Na, viel Auswahl hatte ich ja nicht», scherzte Ramirez und setzte sich wieder auf ihren Platz. Dann wurde sie wieder ernst. «Spass beiseite, lassen Sie uns in der Shuttle-Rampe landen. Wir wollen Commander McGregor nicht zu lange warten lassen.»

«Aye, Ma’am,» bestätigte Keva, drückte ein paar Tasten und dirigierte das Shuttle behutsam auf die Rückseite des Raumschiffs. «Shuttle Whisper an U.S.S. Tycho. Wir befinden uns im Anflug über Vektor eins-acht-sechs und sind bereit zur Landung.»

«Tycho hier. Landeerlaubnis für Shuttle Whisper auf Rampe 2 erteilt. Willkommen an Bord.»

«Danke, Tycho. Landung auf Shuttle-Rampe 2, verstanden. Whisper, Ende.»


Mit gebührendem Sicherheitsabstand beobachteten zwei Offiziere vom Eingang der Shuttle-Rampe 2 aus, wie die Whisper langsam durch das Kraftfeld glitt, das den Weltraum vom Inneren des Schiffs trennte, und sanft auf dem Deck landete. Beide waren Menschen: ein ca. 50jähriger, europäisch aussehender Mann mit leicht ergrautem Bart, und eine deutlich jüngere Asiatin, die neben dem breitschultrigen Europäer zierlich wirkte. Als die Antriebe verstummten und sich die Tür der Luftschleuse öffnete, traten die beiden Offiziere erwartungsvoll an das Shuttle heran.

Ramirez verliess zuerst das Shuttle, gefolgt von Keva. Der ältere der beiden Offiziere, die sie empfingen, ging einen Schritt auf sie zu.

«Commander, Lieutenant Commander», grüsste er die beiden Frauen förmlich und gab ihnen die Hand. «Willkommen an Bord der Tycho. Wir haben uns gestern schon kurz gesprochen: Ich bin Aiden McGregor, Erster Offizier, und das ist Lieutenant Mei Chen, Pilotin dieses stolzen Schiffs.» Auch die Asiatin reichte ihnen die Hand mit einem freundlichen Lächeln. «Herzlich willkommen!»

«Mr. McGregor, Mrs. Chen, ich freue mich sehr, Sie kennen zu lernen», erwiderte Ramirez ebenso freundlich. Nachdem sich alle die Hände geschüttelt hatten, fragte sie unverblümt: «Status?»

«Die Installation der neuen Sensorphalanx ist abgeschlossen. Die ersten drei Einheiten sind ausserdem schon kalibriert. Am vierten Modul sind wir gerade noch dran. Ich erwarte den Abschluss in der nächsten halben Stunde. Nummer 5 macht hingegen bei der Energiezufuhr unerwartete Probleme und ich kann noch nicht sagen, bis wann wir die Lösung erwarten können. Die Engineering- und Operations-Teams sowohl von der Tycho als auch vom Orbitaldock arbeiten allerdings mit Hochdruck daran.»

Ramirez wandte sich an Keva. «Lieutenant Keva, die neuen Sensoren scheinen auf ihre Chef-Ingenieurin zu warten. Werfen Sie bitte einen Blick auf Modul 5.»

«Aye, Ma’am», bejahte die Offizierin mit dem goldgelben Kragen.

«Ich führe Sie zum Maschinenraum, Lieutenant Commander», bot Chen an, trat einen Schritt zurück und deutete mit ausgestrecktem Arm einladend in Richtung der schweren Türe, die zum Inneren des Schiffs führte. «Ihr Gepäck wird in der Zwischenzeit in Ihre Quartiere gebracht.»

«Sehr zuvorkommend, Mrs. Chen», neigte Keva dankend ihren Kopf und die beiden verliessen zielstrebig die Shuttle-Rampe.

Ramirez liess ihren Blick über das Deck schweifen. Mit einem zufriedenen Nicken richtete sie sich wieder an McGregor. «Und die Besatzung?» Sie begaben sich nun ebenfalls mit langsamen Schritten zur Tür.

«Alle anwesend, gesund und munter», bestätigte der Erste Offizier. «Mit einer Ausnahme: Admiral Dunleavy hat uns vor rund einer halben Stunde noch eine Intelligence Liaison Officer zugewiesen, eine Andorianerin namens T’Lora Soral. Sie ist noch nicht an Bord.»

Commander Ramirez runzelte die Stirn. «Der Geheimdienst? Hat der Admiral gesagt, warum?»

«Nein.» Aiden McGregor zuckte mit den Achseln. «Ich kann nur spekulieren, dass der Geheimdienst um jeden Preis sicherstellen will, dass die Mission streng geheim bleibt.»

«Hm», gab Ramirez nachdenklich von sich, als sie sich dem Turbolift näherten. «Davon abgesehen sind wir zum Auslaufen bereit?»

«Eigentlich schon», antwortete Commander McGregor mehrdeutig und blickte ausweichend auf die verschlossenen Türen des Lifts.

Sofia Ramirez musterte ihn von der Seite, als die Geräusche hinter den Türen die Ankunft des Turbolifts ankündigten. «Und uneigentlich?»

Die Türen öffneten sich mit einem leichten Zischen. Ramirez betrat die Liftkapsel, gefolgt von McGregor. «Computer, Brücke», gab er das Ziel an.

Nachdem sich die Türen geschlossen hatten, nahm der Lift seine Fahrt auf und McGregor wandte sich Ramirez zu. «Erlaubnis, offen zu sprechen?»

«Bitte», erteilte sie ihm die Erlaubnis.

«Computer, anhalten», brachte McGregor den Turbolift zum Halt. «Ganz ehrlich, ich hätte das Kommando über das Schiff und die Mission bestens selbst übernehmen können. Immerhin kenne ich das Schiff und den Grossteil der Besatzung schon seit Jahren», selbstsicher verschaffte McGregor seinem Unverständnis Luft. «Mit allem Respekt, Commander: Mir ist unklar, warum der Admiral Sie mit der Mission betraut und nicht mich. Wenn schon jemand anderes das Kommando übernehmen soll, dann doch wenigstens jemand mit ein paar Jahren Kommandoerfahrung? Soweit ich das beurteilen kann, haben wir nun zwei Erste Offiziere an Bord und immer noch keinen Captain.»

«Vielen Dank für Ihre Offenheit, Commander», entgegnete Ramirez unbeeindruckt von seinem Unmut. «Lassen Sie mich zwei Dinge klarstellen. Erstens: Ihre Qualifikation stellt mit meiner Versetzung absolut niemand in Frage, und ich schon gar nicht.» Sie legte eine kurze Pause ein.

«Zweitens: Admiral Dunleavy hat seine Gründe, weswegen er mich mit dem Posten betraut hat. Es ist weder ihre noch meine Rolle, seinen Zuweisungsbefehl zu hinterfragen, und ich erwarte Ihren Gehorsam. Alles in allem heisst das: Wir haben nur einen und genau den richtigen Ersten Offizier an Bord, nämlich Sie», Ramirez deutete zuerst auf McGregor und anschliessend auf sich, «und eine und genau die richtige amtierende Captain, nämlich mich. Ist das klar?»

Sie blickten sich direkt in die Augen. McGregor antwortete nicht sofort, offensichtlich war ihm Ramirez’ Antwort nicht gut genug.

«Ist das klar?» wiederholte Ramirez ihre Frage mit Nachdruck.

«Aye, Commander», bestätigte Aiden McGregor zähneknirschend.

«Gut. Und um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, erwarte ich von Ihnen, ab sofort mit ‹Ma’am› angesprochen zu werden.» Sie blickte ihren Ersten Offizier herausfordernd an.

Es dauerte erneut einen Augenblick, bevor McGregor widerwillig antwortete. «Aye… Ma’am.»

«Computer, Fahrt wieder aufnehmen.» Ramirez wandte sich den Türen des Turbolifts zu und verschränkte ihre Arme vor der Brust als Zeichen dafür, dass sie das Gespräch für beendet betrachtete.