Kapitel 3
Wie man aus den Fenstern des modernen Apartments mitten in Buenos Aires sehen konnte, war der Vormittag im Mai leicht verregnet und herbstlich. Drinnen war die Temperatur jedoch angenehm und die indirekte Beleuchtung tauchte die Wohnung in warme Farben. Die Luft trug den Duft von frischem Kaffee, der von einer dampfenden Tasse auf der Kommode des Umkleidezimmers ausging.
Eine Latina, ungefähr Mitte 40, griff zur Tasse und nahm einen genussvollen Schluck Kaffee. Sie betrachtete sich kritisch im Spiegel, der über der Kommode hing. Sie stellte die Tasse wieder ab, strich sich über die kurzen schwarzen Haare und zupfte den Kragen ihrer Sternenflotten-Uniform zurecht. Danach nahm sie drei kleine goldene und runde Rangabzeichen in die Hand, die neben der Kaffeetasse lagen, und befestigte sie nacheinander in einer Reihe an ihrem Kragen.
In diesem Moment erschien auf dem Spiegel eine Meldung über einen eingehenden Anruf. Sie betätigte eine der virtuellen Tasten, die nun auf dem Spiegel eingeblendet waren, und nahm das Gespräch an.
«Hallo, Mama», grüsste sie die Frau, deren Gesicht nun auf dem Bildschirm erschien. «Ich muss gleich los ins Hauptquartier. Ist alles in Ordnung?»
«Hola, Sofia bonita», grüsste ihre Mutter mit einem besorgten Lächeln zurück, was auf Spanisch so viel wie «Hallo, süsse Sofia» hiess. «Ich wollte nur sehen, wie es dir geht – und ob du’s dir nicht doch besser überlegt hast.»
«Mama», erwiderte Sofia vorwurfsvoll und verdrehte die Augen, «das ist jetzt wirklich nicht der Moment für diese Diskussion. Ich will wieder zurück und die Sternenflotte braucht mich. Wirklich. Das weisst du ganz genau.»
«Ja, ich weiss, mein Schatz.» Sofias Mutter seufzte und wischte eine Träne beiseite. «Es ist nur… Ach, ich möchte doch nur, dass dir nicht wieder etwas zustösst.»
Es verstrichen zwei Sekunden der Stille. «Das will niemand und am wenigsten ich», versicherte Sofia mit leicht zitternder Stimme und wich kurz dem Blick ihrer Mutter aus, um sich zu sammeln. Dann schaute sie ihr entschlossen in die Augen. «Jetzt muss ich mich wirklich fertig machen, Mama. Es wird alles gut, versprochen.» Die Offizierin griff erneut zur Tasse und nahm einen kräftigen Schluck.
«OK. Te ves bien – du siehst gut aus», befand die Anruferin wehmütig. «Nur rechts schaut noch eine Haarsträhne seltsam raus.»
Sofia stellte ihre Tasse wieder ab, betrachtete ihr Bild kritisch und brachte ihre Haare erneut in Form. «Das soll so aussehen, Mama», widersprach sie. «Und ich muss jetzt wirklich los, sonst komme ich zu spät. Besos a todos – Küsse an alle!»
«Bis später, bonita. Sag’ uns, wie’s gelaufen ist», bat Sofias Mutter liebevoll und beendete das Gespräch. Die Projektionsfläche verwandelte sich wieder in einen Spiegel zurück.
Sofia schloss die Augen für einen kurzen Moment und holte tief Luft. Dann ergriff sie das grössere Abzeichen der Sternenflotte, das noch auf der Kommode lag, betrachtete es einen Moment nachdenklich in ihrer Handfläche und heftete es dann auf ihrem linken Brustkorb an ihre Uniform. Noch einmal holte sie tief Luft und tippte mit einem letzten prüfenden Blick in den Spiegel auf das Abzeichen, um den Kommunikator zu aktivieren.
«Ramirez an Sternenflotten-Hauptquartier. Eine Person bereit zum Transport», sprach sie und trat zwei Schritte zurück in die Mitte des Raums. Einen Moment später löste sie sich im Transportstrahl auf und hinterliess eine leere Wohnung.