Kapitel 2
Die U.S.S. Tycho lag majestätisch im Weltraumdock, das im Orbit über der hell angestrahlten Tagesseite der Erde schwebte. Man konnte sehen, wie Gestalten in Raumanzügen zusammen mit automatisierten Drohnen die Aussenhülle des Raumschiffs an einigen Stellen reparierten oder umbauten. Auf der Hülle war neben dem Namen des Schiffs der grosse Schriftzug «NCC-74950» zu lesen. Das Schiff entsprach mit einer Länge von ungefähr 350 Metern, einer Breite von ca. 130 Metern und einer Höhe von gut 60 Metern einem mittelgrossen Raumschiff, das 15 Decks beherbergte. Mehr als die Hälfte der Schiffsfenster waren erleuchtet, was darauf hindeutete, dass ein Grossteil der Besatzung an Bord war und das Schiff in Bälde auslaufen würde.
Im Maschinenraum der U.S.S. Tycho herrschte geschäftiges Treiben. Neben den Stimmen der Personen von sehr unterschiedlicher Herkunft waren Geräusche von Werkzeugen und das Summen des grossen Warp-Kerns zu hören – dem Herzstück des Maschinenraums. Eine Haliianerin anfangs 30 in Uniform mit goldgelbem Kragen sass an einer Konsole und studierte konzentriert die Anzeige vor ihr, als sich die Tür zum Maschinenraum öffnete und zwei weitere Offiziere den Raum betraten. Der eine von ihnen, Mitte 30, war Mensch und trug ebenso eine Uniform mit goldgelbem Kragen. Der andere war Bolianer, sicher zehn Jahre älter und hingegen in blaugrüner Uniform gekleidet. Beide begaben sich zielstrebig zur Haliianerin.
«Lieutenant Veena, Bericht», ergriff der Bolianer das Wort.
«Sir, die Installation des ersten Echo-Moduls ist abgeschlossen. Wir können mit der Kalibrierung beginnen», erklärte die Haliianerin stolz und zeigte mit der linken Hand auf den Bildschirm der Konsole vor ihr.
Der Bolianer beugte sich vor und warf einen prüfenden Blick auf den Monitor. «Das sieht auf den ersten Blick gut aus», freute er sich. «Ich hätte gedacht, dass die Installation länger dauert.»
«Dank des Teams und der Unterstützung von Lieutenant Conti haben wir es schneller geschafft als erwartet», sagte Veena und nickte ihrem menschlichen Kollegen dankbar zu.
Conti lächelte zufrieden. «Gern. Wobei: Das war ja nicht ganz uneigennützig. Wir können später den Betrieb der neuen Sensorik besser sicherstellen, wenn wir uns schon direkt beim Einbau mit der neuen Technologie vertraut machen.»
«Gute Arbeit, Lieutenants», meinte der Bolianer anerkennend. «Dieses Ding sicher zu betreiben, wird wirklich unsere grösste Herausforderung sein. Lassen Sie uns die Kalibrierung starten.»
«Aye, Sir.» Lieutenant Veena betätigte einige Tasten an ihrer Konsole, die leise piepsende Töne von sich gaben. «Kalibrierung gestartet. Energiebezug 64% und steigend.»
Auf sein Abzeichen tippend, aktivierte Lieutenant Conti den darin integrierten Kommunikator. «Conti an Brücke.»
«Martinson hier.»
Wir haben die Kalibrierung von Echo-Modul 1 gestartet. Bitte überwachen Sie den Status der anderen Systeme in den nächsten zwanzig Minuten, vor allem Sensoren, Antrieb und Deflektor.»
«Verstanden. Martinson, Ende», war aus dem Kommunikator zu hören.
Die drei Offiziere blickten gespannt auf die Konsole im Maschinenraum, an der Veena die Kalibrierung gestartet hatte. Nach einem kurzen Augenblick der Stille fragte sie höflich: «Und, Lieutenant Commander, haben Sie sich an Bord schon gut eingefunden?»
Der angesprochene Bolianer liess den Bildschirm nicht aus den Augen, während er antwortete: «Danke der Nachfrage, Lieutenant. In den ersten Nächten auf einem neuen Schiff habe ich immer Mühe einzuschlafen. Und diesmal umso mehr. Diese Mission ist alles andere als Routine, Echo‹Echo› ist schliesslich sowas wie mein Baby.»
«Wie lange haben Sie an Echo‹Echo› eigentlich schon im Daystrom Institute gearbeitet, wenn ich fragen darf,» erkundigte sich Conti neugierig.
«Die letzten 18 Monate», antwortete der Bolianer kühl.
«18 Monate? Das ist eine beeindruckend kurze Zeit für ein Projekt dieser Komplexität», kommentierte Conti anerkennend.
«Wir haben mehr als intensiv daran gearbeitet. Und jetzt stehen wir endlich kurz davor herauszufinden, ob sich das auch gelohnt hat», entgegnete der Bolianer erwartungsvoll.
Für einen Moment herrschte eine gespannte Stille im Raum, während die drei Offiziere weiter auf die Fortschritte der Kalibrierung achteten.
«Abschluss der Kalibrierung in 17 Minuten. Energiebezug wie erwartet bei 82%, weiter steigend», quittierte Veena.
«Die Sternenflotte braucht diesen Erfolg unbedingt und wir werden auf jeden Fall alles dafür tun», nahm Conti den Gesprächsfaden wieder auf. «Wissen Sie eigentlich schon, wer das Kommando über die Tycho nun übernimmt, Sir?»
«Soweit ich weiss, ist noch kein Entscheid gefallen», erwiderte der Bolianer und stemmte seine Hände in die Hüften. «Ich nehme an, dass sich die Suche schwierig gestaltet. Zumal es Kommandoerfahrung, Kriegserfahrung und Erfahrung mit der Entwicklung experimenteller Technologie braucht. Diese Kombination gibt es selten. Jedenfalls haben wir vermutlich keine Captains mehr, die einfach auf der Einwechselbank sitzen und auf den nächsten Einsatz warten.»
«Findet sich diese Kombination überhaupt so rasch? Wenn mit Installation und Kalibrierung alles so reibungslos verläuft wie bisher, sind wir in drei Tagen bereit für den Tiefenraum», meinte Veena und tippte eifrig auf der Konsole. «Abschluss der Kalibrierung in 14 Minuten. Energiebezug nun stabil bei 97%, genau nach Plan.»
«Notfalls übernehme ich das Kommando», versuchte der Bolianer zu scherzen, «bevor sie jemanden aus dem Ruhestand holen und reaktivieren, der mit dieser Mission vollkommen überfordert ist.»
Veena und Conti wechselten einen besorgten Blick. Trotz des Scherzes war ihnen nicht zum Lachen zumute. Es wurde ihnen mehr und mehr klar, wie sehr der Erfolg der Mission und damit sogar der Ausgang des Krieges von der richtigen Wahl der oder des künftigen kommandierenden Offiziers der U.S.S. Tycho abhing – und das bei offenbar beschränkter Anzahl an Kandidaten für diesen Posten.
In diesem Moment ertönte der Kommunikator des Bolianers. «Brücke an Lieutenant Commander Morro.» Er aktivierte seinen Kommunikator, in dem er rasch auf sein Abzeichen tippte. «Morro hier.»
«Sir, Sie haben eine dringende, klassifizierte Nachricht vom Geheimdienst erhalten. Wo wollen Sie sie entgegennehmen?»
Morro zog die Augenbrauen hoch und blickte Veena und Conti überrascht an. «Geheimdienst? Ähm, bitte stellen Sie die Nachricht in mein Quartier durch, ich mache mich auf den Weg. Morro, Ende.» An die beiden verdutzten Veena und Conti gewandt, ergänzte er: «Entschuldigen Sie mich, Lieutenants. Bitte führen Sie die Kalibrierung zu Ende.»
«Aye, Sir», bestätigten die Haliianerin und der Mensch im Chor.