Kapitel 1
Es war ein wunderschöner, sonniger Frühlingstag auf dem Campus des Hauptquartiers der Sternenflotte. Das angenehm laue Lüftchen trug den Duft der Kirsch- und Magnolienbäume, die in ihrer vollen Pracht auf dem Areal blühten und hin und wieder im Wind der startenden und landenden Shuttles wogten. Zwischen den gelegentlichen Fluggeräuschen der Shuttles konnte man deutliches Vogelgezwitscher und die Hintergrundgeräusche des lebendigen Treibens in San Francisco hören.
Die wenigen Personen, die zielstrebig über den Campus schritten, machten einen angespannten und besorgten Eindruck, der in deutlichem Kontrast zu dieser frühlingshaften Stimmung stand. Der andauernde Dominion-Krieg warf seinen Schatten über die Vereinte Föderation der Planeten – und damit auch über das Hauptquartier der Sternenflotte. Darüber konnte auch ein sonniger Tag im Mai nicht hinwegtäuschen.
Etwas abseits lag das unscheinbare, dunkelgraue Gebäude des Sternenflotten-Geheimdiensts. Im kleinsten und fensterlosen Konferenzsaal auf dem dritten Stock war der Frühling gefühlt weit weg. Der Raum war grosszügig mit matten, dunkel schimmernden Metallplatten verkleidet. Sanftes, gedämpftes Licht drang aus integrierten Lichtleisten und erzeugte eine zurückhaltende und konzentrierte Atmosphäre. Die geräumige Decke verschwand halb in der Dunkelheit und liess den Raum grösser erscheinen, als er tatsächlich war. Der Boden war mit einem weichen, dunkelblauen Teppich bezogen, in dessen Mitte stolz das Emblem des Geheimdienstes prangte. Um das Emblem herum waren Tische als U formiert, an denen die anwesenden Offiziere auf mit schwarzem Leder bezogenen Sesseln sassen. Auf Augenhöhe mittig über der Tischformation kreiste langsam eine grosse holografische Projektion, die Sternensysteme, Flottenverbände und Frontlinien darstellte. Die Luft im Raum war kühl und klar, leicht mit einem Hauch von Ionisierung, der den subtilen Geruch von Elektronik und Technologie mit sich brachte. Der leise summende Klang der Projektion und Lüftung lag in der Luft und vermischte sich mit dem gedämpften Gemurmel der anwesenden Offiziere.
Captain Gralok, Deputy Chief of Starfleet Intelligence und hartnäckiger und stolzer Tellarit, sass an der Spitze des Tisches, umgeben von anderen hochrangigen Offizieren. Die Spannung im Raum war greifbar, während sie die letzten Verlustmeldungen des Dominion-Krieges studierten. Graloks Stirn lag in noch tieferen Runzeln als üblich. Die Sternenflotte hatte in den letzten Stunden erneut herbe Verluste im Krieg gegen das Dominion verzeichnet.
«Wenn ich das richtig sehe», fasste Gralok ungläubig mit hallender Stimme zusammen, «war Operation ‹Sonnenwende› ein katastrophaler Fehlschlag. Das hat uns sieben Schiffe gekostet und wir haben 764 Seelen verloren. Sieben, hundert, vier und sechzig! Und all das für diesen kleinen Gewinn an Territorium? Das ist erbärmlich! Das ist der, was, achte Tag in Folge mit dreistelligen Verlusten?» Er knallte das PADD, das er in der Hand gehalten hatte, wütend auf den Tisch, ballte seine Fäuste und blickte grimmig in die Runde.
Gerade als er Luft holen wollte, um weiterzusprechen, ertönte der Klingelton der Türe zum Konferenzraum und unterbrach ihn. Es war ungewöhnlich, in einer Einsatzbesprechung gestört zu werden.
«Herein», bellte Gralok.
Die Tür öffnete sich mit einem leicht hörbaren Zischen und unter dem argwöhnischen Blick der Anwesenden trat eine Andorianerin in ihren Vierzigern herein. Wie die übrigen Geheimdienst-Offiziere trug auch sie die schwarze Uniform der Sternenflotte mit grauen Schultern und dunkelblauem Kragen. Die Tür schloss sich hinter ihr.
Gralok begrüsste sie mit einem ungeduldigen Ton der Verwunderung. «Lieutenand Commander, das sollte besser dringend sein.»
«Captain, das ist es in der Tat», bestätigte die Andorianerin und liess sich durch die unverblümte Art des Tellariten nicht aus der Ruhe bringen. Ihre silbrig-blauen Antennen bewegten sich leicht, als sie zielstrebig um den Tisch herum schritt, an die Seite von Graloks Sessel trat und ihm ein PADD überreichte.
Gralok überflog die Zeilen auf dem PADD, bevor er sich erhob und seine im Vergleich zuzur SoralAndorianerin kurze Statur zum Vorschein kam. «Wir müssen kurz unterbrechen. Geben Sie Lieutenant Commander Soral und mir den Raum», wandte er sich mit entschlossener Stimme an die restlichen Offiziere und beorderte sie kurzangebunden mit einer Handbewegung dazu, den Raum zu verlassen.
Die Teilnehmer der Sitzung erhoben sich rasch und verliessen unter Gemurmel zügig den Saal. Gralok und Soral warteten ab, bis sich die Tür hinter der letzten Offizierin schloss.
«‹Echo› ist als streng geheim klassifiziert. Woher haben sie diese Informationen?» fragte Gralok und blickte Soral mit zusammengekniffenen Augen an. Die Antennen der Andorianerin richteten sich erstaunt auf. Es verging eine stille Sekunde, bevor er sich erinnerte, dass eine seiner besten Agentinnen vor ihm stand, und wischte mit einer Handbewegung seine eigene törichte Frage beiseite. «Das ist Ihr Job, klar. Bericht», forderte er sie stattdessen auf.
Sorals Antennen lehnten sich nach vorne, ein Zeichen für die Konzentration der Andorianerin. Sie wusste, dass die nächsten Momente für den weiteren Kriegsverlauf ausschlaggebend sein würden. Mit ruhiger Entschiedenheit rapportierte sie: «Captain, zwei meiner zuverlässigsten Quellen auf Cardassia haben ein paar Fetzen aufgeschnappt, die sich ohne Zweifel auf ‹Projekt Echo› beziehen. In meiner Einschätzung ist die Mission akut gefährdet.»
Captain Gralok warf erneut einen prüfenden Blick auf das PADD. «Und Sie glauben, das Projekt vor Ort besser schützen zu können? Ist Ihr aktueller Auftrag so unwichtig?» fragte er streng.
«Ja, das glaube ich, Sir. Oder hat ausser mir jemand noch besseren Zugang zu Informationen vom Dominion, was ‹Echo› betrifft? Wie ich es sehe, ist die Mission eine der letzten Hoffnungen der Sternenflotte in diesem Krieg – also nichts, was wir dem Zufall überlassen sollten. Den Nachrichtendienst für die siebte Flotte kann auch Lieutenant Markus leiten. Er ist bestens dafür qualifiziert.»
«Hm», versank der Tellarit kurz in Gedanken und ging hinter seinem Sessel ein paar Schritte auf und ab. «Wenn Sie recht haben und das stimmt…»
«Habe ich und tut es», nickte die Lieutenant Commander nachdrücklich und liess keine Zweifel.
Erneut kniff Gralok seine Augen zusammen und musterte Soral. «Nun gut», gab er nachdenklich von sich. «Ich gebe es in der Befehlskette weiter. Halten Sie sich parat, auf der Tycho zum Dienst anzutreten.»
«Aye, Sir», bestätigte Soral, drehte sich um und schritt auf die Tür zu.
«Soral», war Gralok nun mit sanfterer Stimme zu hören. Die Andorianerin hielt inne. «Gutes Gelingen. Ich zähle auf Sie und bin da, wenn Sie etwas brauchen.»
«Danke, Captain.» Soral nickte leicht und liess den kurzgewachsenen Tellarit allein im leeren Konferenzraum zurück. Sie war sich sicher, früher oder später auf das Angebot zurückzukommen.