Episode 1 «Versteckte Bedrohungen»

Die U.S.S. Tycho rüstet sich für die gefährliche Mission, die bahnbrechende Echo-Technologie einzusetzen. Commander Anna Ramirez übernimmt das Kommando und trifft auf neue und alte Konflikte, während Soral erste verdeckte Untersuchungen durchführt.

Kapitel 1

Es war ein wunderschöner, sonniger Frühlingstag auf dem Campus des Hauptquartiers der Sternenflotte. Das angenehm laue Lüftchen trug den Duft der Kirsch- und Magnolienbäume, die in ihrer vollen Pracht auf dem Areal blühten und hin und wieder im Wind der startenden und landenden Shuttles wogten. Zwischen den gelegentlichen Fluggeräuschen der Shuttles konnte man deutliches Vogelgezwitscher und die Hintergrundgeräusche des lebendigen Treibens in San Francisco hören.

Die wenigen Personen, die zielstrebig über den Campus schritten, machten einen angespannten und besorgten Eindruck, der in deutlichem Kontrast zu dieser frühlingshaften Stimmung stand. Der andauernde Dominion-Krieg warf seinen Schatten über die Vereinte Föderation der Planeten – und damit auch über das Hauptquartier der Sternenflotte. Darüber konnte auch ein sonniger Tag im Mai nicht hinwegtäuschen.

Etwas abseits lag das unscheinbare, dunkelgraue Gebäude des Sternenflotten-Geheimdiensts. Im kleinsten und fensterlosen Konferenzsaal auf dem dritten Stock war der Frühling gefühlt weit weg. Der Raum war grosszügig mit matten, dunkel schimmernden Metallplatten verkleidet. Sanftes, gedämpftes Licht drang aus integrierten Lichtleisten und erzeugte eine zurückhaltende und konzentrierte Atmosphäre. Die geräumige Decke verschwand halb in der Dunkelheit und liess den Raum grösser erscheinen, als er tatsächlich war. Der Boden war mit einem weichen, dunkelblauen Teppich bezogen, in dessen Mitte stolz das Emblem des Geheimdienstes prangte. Um das Emblem herum waren Tische als U formiert, an denen die anwesenden Offiziere auf mit schwarzem Leder bezogenen Sesseln sassen. Auf Augenhöhe mittig über der Tischformation kreiste langsam eine grosse holografische Projektion, die Sternensysteme, Flottenverbände und Frontlinien darstellte. Die Luft im Raum war kühl und klar, leicht mit einem Hauch von Ionisierung, der den subtilen Geruch von Elektronik und Technologie mit sich brachte. Der leise summende Klang der Projektion und Lüftung lag in der Luft und vermischte sich mit dem gedämpften Gemurmel der anwesenden Offiziere.

Ein Tellarit sass an der Spitze des Tisches, umgeben von anderen hochrangigen Offizieren. Am Namensschild, das vor ihm auf seinem Tisch stand, war zu lesen: «Captain Gralok, Deputy Chief of Starfleet Intelligence.» Die Spannung im Raum war greifbar, während sie die letzten Verlustmeldungen des Dominion-Krieges studierten. Graloks Stirn lag in noch tieferen Runzeln als üblich.

«Wenn ich das richtig sehe», fasste Gralok ungläubig mit hallender Stimme zusammen, «war Operation ‹Sonnenwende› ein katastrophaler Fehlschlag. Das hat uns sieben Schiffe gekostet und wir haben 764 Seelen verloren. Sieben, hundert, vier und sechzig! Und all das für diesen kleinen Gewinn an Territorium? Das ist erbärmlich! Das ist der, was, achte Tag in Folge mit dreistelligen Verlusten?» Er knallte das PADD, das er in der Hand gehalten hatte, wütend auf den Tisch, ballte seine Fäuste und blickte grimmig in die Runde.

Gerade als er Luft holen wollte, um weiterzusprechen, ertönte der Klingelton der Türe zum Konferenzraum und unterbrach ihn. Es war ungewöhnlich, in einer Einsatzbesprechung gestört zu werden.

«Herein», bellte Gralok.

Die Tür öffnete sich mit einem leicht hörbaren Zischen und unter dem argwöhnischen Blick der Anwesenden trat eine Andorianerin in ihren Vierzigern herein. Wie die übrigen Geheimdienst-Offiziere trug auch sie die schwarze Uniform der Sternenflotte mit grauen Schultern und dunkelblauem Kragen. Die Tür schloss sich hinter ihr.

Gralok begrüsste sie mit einem ungeduldigen Ton der Verwunderung. «Lieutenant Commander, es ist hoffentlich etwas Dringendes.»

«Captain, das ist es in der Tat», bestätigte die Andorianerin und liess sich durch die unverblümte Art des Tellariten nicht aus der Ruhe bringen. Ihre silbrig-blauen Antennen bewegten sich leicht, als sie zielstrebig um den Tisch herum schritt, an die Seite von Graloks Sessel trat und ihm ein PADD überreichte.

Gralok überflog die Zeilen auf dem PADD, bevor er sich erhob und seine im Vergleich zur Andorianerin kurze Statur zum Vorschein kam. «Wir müssen kurz unterbrechen. Geben Sie Lieutenant Commander Soral und mir den Raum», wandte er sich mit entschlossener Stimme an die restlichen Offiziere und beorderte sie kurzangebunden mit einer Handbewegung dazu, den Raum zu verlassen.

Die Teilnehmer der Sitzung erhoben sich rasch und verliessen unter Gemurmel zügig den Saal. Gralok und Soral warteten ab, bis sich die Tür hinter der letzten Offizierin schloss.

«‹Echo› ist als streng geheim klassifiziert. Woher haben sie diese Informationen?» fragte Gralok und blickte Soral mit zusammengekniffenen Augen an. Die Antennen der Andorianerin richteten sich erstaunt auf. Es verging eine stille Sekunde, bevor er sich erinnerte, dass eine seiner besten Agentinnen vor ihm stand, und wischte mit einer Handbewegung seine eigene törichte Frage beiseite. «Das ist Ihr Job, klar. Bericht», forderte er sie stattdessen auf.

Sorals Antennen lehnten sich nach vorne, ein Zeichen für die Konzentration der Andorianerin. Mit ruhiger Entschiedenheit rapportierte sie: «Captain, zwei meiner zuverlässigsten Quellen auf Cardassia haben ein paar Fetzen aufgeschnappt, die sich ohne Zweifel auf Projekt ‹Echo› beziehen. In meiner Einschätzung ist die Mission akut gefährdet.»

Captain Gralok warf erneut einen prüfenden Blick auf das PADD. «Und Sie glauben, das Projekt vor Ort besser schützen zu können? Ist Ihr aktueller Auftrag so unwichtig?» fragte er streng.

«Ja, das glaube ich, Sir. Oder hat ausser mir jemand noch besseren Zugang zu Informationen vom Dominion, was ‹Echo› betrifft? Wie ich es sehe, ist die Mission eine der letzten Hoffnungen der Sternenflotte in diesem Krieg – also nichts, was wir dem Zufall überlassen sollten. Den Nachrichtendienst für die siebte Flotte kann auch Lieutenant Markus leiten. Er ist bestens dafür qualifiziert.»

«Hm», versank der Tellarit kurz in Gedanken und ging hinter seinem Sessel ein paar Schritte auf und ab. «Wenn Sie recht haben und das stimmt…»

«Habe ich und tut es», nickte die Lieutenant Commander nachdrücklich und liess keinen Zweifel daran.

Erneut kniff Gralok seine Augen zusammen und musterte Soral. «Nun gut», gab er nachdenklich von sich. «Ich gebe es in der Befehlskette weiter. Halten Sie sich parat, auf der Tycho zum Dienst anzutreten.»

«Aye, Sir», bestätigte Soral sichtbar erleichtert, drehte sich um, schritt auf die Tür zu und liess den kurzgewachsenen Tellarit allein im leeren Konferenzraum zurück.

Kapitel 2

Die U.S.S. Tycho lag majestätisch im Weltraumdock, das im Orbit über der hell angestrahlten Tagesseite der Erde schwebte. Man konnte sehen, wie Gestalten in Raumanzügen zusammen mit automatisierten Drohnen die Aussenhülle des Raumschiffs an einigen Stellen reparierten oder umbauten. Auf der Hülle prangte neben dem Namen des Schiffs der grosse Schriftzug «NCC-74950». Das Schiff entsprach mit einer Länge von ungefähr 220 Metern, einer Breite von ca. 100 Metern und einer Höhe von gut 50 Metern einem kleineren Raumschiff der Nova-Klasse, das 8 Decks beherbergte. Mehr als die Hälfte der Schiffsfenster waren erleuchtet, was darauf hindeutete, dass ein Grossteil der Besatzung an Bord war und das Schiff in Bälde auslaufen würde.

Im Maschinenraum der U.S.S. Tycho herrschte geschäftiges Treiben. Neben den Stimmen der Personen von sehr unterschiedlicher Herkunft waren Geräusche von Werkzeugen und das Summen des grossen Warp-Kerns zu hören – dem Herzstück des Maschinenraums. Eine Haliianerin anfangs 30 in Uniform mit goldgelbem Kragen sass an einer Konsole und studierte konzentriert die Anzeige vor ihr, als sich die Tür zum Maschinenraum öffnete und zwei weitere Offiziere den Raum betraten. Der eine von ihnen, Mitte 30, war Mensch und trug ebenso eine Uniform mit goldgelbem Kragen. Der andere war Bolianer, sicher zehn Jahre älter und hingegen in blaugrüner Uniform gekleidet. Beide begaben sich zielstrebig zur Haliianerin.

«Lieutenant Veena, Bericht», ergriff der Bolianer das Wort.

«Sir, die Installation des ersten Echo-Moduls ist abgeschlossen. Wir können mit der Kalibrierung beginnen», erklärte die Haliianerin stolz und zeigte mit der linken Hand auf den Bildschirm der Konsole vor ihr.

Der Bolianer beugte sich vor und warf einen prüfenden Blick auf den Monitor. «Das sieht auf den ersten Blick gut aus», freute er sich. «Ich hätte gedacht, dass die Installation länger dauert.»

«Dank des Teams und der Unterstützung von Lieutenant Conti haben wir es schneller geschafft als erwartet», sagte Veena und nickte ihrem menschlichen Kollegen dankbar zu.

Conti lächelte zufrieden. «Gern. Wobei: Das war ja nicht ganz uneigennützig. Wir können später den Betrieb der neuen Sensorik besser sicherstellen, wenn wir uns schon direkt beim Einbau mit der neuen Technologie vertraut machen.»

«Gute Arbeit, Lieutenants», meinte der Bolianer anerkennend. «Dieses Ding sicher zu betreiben, wird wirklich unsere grösste Herausforderung sein. Lassen Sie uns die Kalibrierung starten.»

«Aye, Sir.» Lieutenant Veena betätigte einige Tasten an ihrer Konsole, die leise piepsende Töne von sich gaben. «Kalibrierung gestartet. Energiebezug 64% und steigend.»

Auf sein Abzeichen tippend, aktivierte Lieutenant Conti den darin integrierten Kommunikator. «Conti an Brücke.»

«Martinson hier.»

«Wir haben die Kalibrierung von Echo-Modul 1 gestartet. Bitte überwachen Sie den Status der anderen Systeme in den nächsten zwanzig Minuten, vor allem Sensoren, Antrieb und Deflektor.»

«Verstanden», war aus dem Kommunikator zu hören. «Martinson, Ende.»

Die drei Offiziere blickten gespannt auf die Konsole im Maschinenraum, an der Veena die Kalibrierung gestartet hatte. Nach einem kurzen Augenblick der Stille fragte sie höflich: «Und, Lieutenant Commander, haben Sie sich an Bord schon gut eingefunden?»

Der angesprochene Bolianer liess den Bildschirm nicht aus den Augen, während er antwortete: «Danke der Nachfrage, Lieutenant. In den ersten Nächten auf einem neuen Schiff habe ich immer Mühe einzuschlafen. Und diesmal umso mehr. Diese Mission ist alles andere als Routine, ‹Echo› ist schliesslich sowas wie mein Baby.»

«Wie lange haben Sie an ‹Echo› eigentlich schon gearbeitet, wenn ich fragen darf?» erkundigte sich Conti neugierig.

«Die letzten 18 Monate», antwortete der Bolianer kühl.

«18 Monate? Das ist eine beeindruckend kurze Zeit für ein Projekt dieser Komplexität», kommentierte Conti anerkennend.

«Wir haben mehr als intensiv daran gearbeitet. Und jetzt stehen wir endlich kurz davor herauszufinden, ob sich all die Mühen auch tatsächlich gelohnt haben», entgegnete der Bolianer erwartungsvoll.

Für einen Moment herrschte eine gespannte Stille im Raum, während die drei Offiziere weiter auf die Fortschritte der Kalibrierung achteten.

«Abschluss der Kalibrierung in 17 Minuten. Energiebezug wie erwartet bei 82%, weiter steigend», quittierte Veena.

«Wissen Sie eigentlich schon, wer das Kommando über die Tycho nun übernimmt, Sir?», nahm Conti den Gesprächsfaden wieder auf.

«Soweit ich weiss, ist noch kein Entscheid gefallen», erwiderte der Bolianer und stemmte seine Hände in die Hüften. «Ich nehme an, dass sich die Suche schwierig gestaltet. Zumal es Kommandoerfahrung, Kriegserfahrung und Erfahrung mit der Entwicklung experimenteller Technologie braucht. Diese Kombination gibt es selten. Jedenfalls haben wir vermutlich keine Captains mehr, die einfach auf der Einwechselbank sitzen und auf den nächsten Einsatz warten.»

«Wenn mit Installation und Kalibrierung alles so reibungslos verläuft wie bisher, sind wir in drei Tagen bereit für den Tiefenraum. Hoffentlich fällt bis dahin die Entscheidung, sonst sitzen wir hier untätig im Raumdock herum», meinte Veena und tippte eifrig auf der Konsole. «Abschluss der Kalibrierung in 14 Minuten. Energiebezug nun planmässig stabil bei 97%.»

«Notfalls übernehme ich das Kommando», versuchte der Bolianer zu scherzen, «bevor sie jemanden aus dem Ruhestand holen und reaktivieren, der mit dieser Mission vollkommen überfordert ist.»

Veena und Conti wechselten einen besorgten Blick. Trotz des Scherzes war ihnen nicht zum Lachen zumute. Eine experimentelle Technologie mitten in den Wirren eines tosenden Kriegs auf einem Raumschiff ohne erfahrene Kommandopersönlichkeit zu entwickeln, war ein waghalsiges Unterfangen.

Kapitel 3

Wie man aus den Fenstern des modernen Apartments mitten in Buenos Aires sehen konnte, war der Vormittag im Mai leicht verregnet und herbstlich. Drinnen war die Temperatur jedoch angenehm und die indirekte Beleuchtung tauchte die Wohnung in warme Farben. Die Luft trug den Duft von frischem Kaffee, der von einer dampfenden Tasse auf der Kommode des Umkleidezimmers ausging.

Eine Latina, ungefähr Mitte 40, griff zur Tasse und nahm einen genussvollen Schluck Kaffee. Sie betrachtete sich kritisch im Spiegel, der über der Kommode hing. Sie stellte die Tasse wieder ab, strich sich über die kurzen schwarzen Haare und zupfte den roten Kragen ihrer Sternenflotten-Uniform zurecht. Danach nahm sie drei kleine goldene und runde Rangabzeichen in die Hand, die neben der Kaffeetasse lagen, und befestigte sie nacheinander in einer Reihe an ihrem Kragen.

In diesem Moment erschien auf dem Spiegel eine Meldung über einen eingehenden Anruf. Sie betätigte eine der virtuellen Tasten, die nun auf dem Spiegel eingeblendet waren, und nahm das Gespräch an.

«Hallo, Mama», grüsste sie die Frau, deren Gesicht nun auf dem Bildschirm erschien. «Ich muss gleich los ins Hauptquartier. Ist alles in Ordnung?»

«Hola, Anna bonita», grüsste ihre Mutter mit einem besorgten Lächeln zurück, was auf Spanisch so viel wie ‹Hallo, süsse Anna› hiess. «Ich wollte nur sehen, wie es dir geht – und ob du’s dir nicht doch besser überlegt hast.»

«Mama», erwiderte Anna vorwurfsvoll und verdrehte die Augen, «das ist jetzt wirklich nicht der Moment für diese Diskussion. Ich will wieder zurück und die Föderation braucht mich an der Front. Wirklich. Das weisst du ganz genau.»

«Ja, ich weiss, mein Schatz.» Annas Mutter seufzte und wischte eine Träne beiseite, die sich in einem ihrer Augen gebildet hatte. «Es ist nur… Es ist gerade mal zehn Wochen her. Ach, ich möchte doch nur, dass dir nicht wieder etwas zustösst!»

Es verstrichen zwei Sekunden bedrückter Stille. «Das will niemand und am wenigsten ich», versicherte Anna mit leicht zitternder Stimme, kurz dem Blick ihrer Mutter ausweichend, um sich zu sammeln. Dann schaute sie ihr entschlossen in die Augen. «Jetzt muss ich mich wirklich fertig machen, Mama. Es wird alles gut, versprochen.» Die Offizierin griff erneut zur Tasse und nahm einen kräftigen Schluck.

«OK. Te ves bien – du siehst gut aus», befand die Anruferin wehmütig. «Nur rechts schaut noch eine Haarsträhne seltsam raus.»

Anna stellte ihre Tasse wieder ab, betrachtete ihr Bild kritisch und brachte ihre Haare erneut in Form. «Das soll so aussehen, Mama», widersprach sie. «Und ich muss jetzt wirklich los, sonst komme ich zu spät. Besos a todos – Küsse an alle!»

«Bis später, bonita. Sag’ uns, wie’s gelaufen ist», bat Annas Mutter liebevoll und beendete das Gespräch. Die Projektionsfläche verwandelte sich wieder in einen Spiegel zurück.

Anna schloss die Augen für einen kurzen Moment und holte tief Luft. Dann ergriff sie das grössere Abzeichen der Sternenflotte, das noch auf der Kommode lag, betrachtete es einen Moment nachdenklich in ihrer Handfläche und heftete es dann auf ihrem linken Brustkorb an ihre Uniform. Noch einmal holte sie tief Luft und tippte mit einem letzten prüfenden Blick in den Spiegel auf das Abzeichen, um den Kommunikator zu aktivieren.

«Ramirez an Sternenflotten-Hauptquartier. Eine Person bereit zum Transport», sprach sie und trat zwei Schritte zurück in die Mitte des Raums. Einen Moment später löste sie sich im Transportstrahl auf und hinterliess eine leere Wohnung.


Anna nickte dem Transporter Chief zu und trat vom Podest des Transporters herunter, auf dem sie sich vor einer Sekunde materialisiert hatte. Sie schritt durch den offenen Türbogen hinaus in die grosszügige Empfangshalle des Sternenflottenkommandos. Die Sonne des Frühlings in San Francisco schien durch die hohe Fensterfront herein und erfüllte den Raum mit hellem Licht. Anna wurde ein wenig geblendet und musste ihre Augen zusammenkneifen.

Sie liess ihren Blick durch die Halle schweifen, der kurz auf dem Hologramm der U.S.S. Enterprise zu ruhen kam. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.

Dann lief sie quer durch die Halle und begab sich in einen Turbolift, sichtlich nervös. «Elfter Stock», gab sie dem Computer ihr Ziel per Sprachbefehl. Die Türen schlossen sich.

Im elften Stock angekommen, ging sie auf dem weichen Teppich, der jedes Schrittgeräusch verschluckte, ein paar Meter den Gang hinunter und trat links in ein leeres Vorzimmer, das mit dem Rang und Namen «Rear Admiral Richard Dunleavy» angeschrieben war. Die Tür zum dahinterliegenden Büro war offen und sie blickte neugierig hinein. Es war ein grosszügiger Raum mit einer Fensterfront und holzvertäfelten Wänden, die von einigen eingerahmten Bildern geschmückt wurden. Hinter dem Schreibtisch aus dem gleichen Holz waren die Flaggen des Sternenflottenkommandos und der Vereinten Förderation der Planeten drapiert. Ein älterer Offizier mit kurzgeschorenen weissen Haaren sass hinter dem Schreibtisch und blickte auf, als er Anna im Türrahmen wahrnahm. Erfreut erhob er sich und winkte sie einladend herein.

«Anna, schön Sie zu sehen. Wie geht’s Ihnen?», begrüsste er sie freundlich und deutete auf die Sessel vor seinem Schreibtisch. «Kommen Sie rein, setzen Sie sich. Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?»

«Danke, Admiral, wieder gut genug. Ich hatte heute schon zu viel Kaffee, von daher: nein, danke. Ich bin schon nervös genug.» Anna blickte sich kurz um, bevor sie sich in einem der zwei Sessel auf ihrer Seite des Tisches niederliess. «Wie lange ist es her, dass ich das letzte Mal hier war?»

«Vor ungefähr zweieinhalb Jahren, an Ihrer Beförderung zur Commander. Ich habe eben einen Blick in Ihre Akte geworfen, darum weiss ich das wieder», meinte der Admiral augenzwinkernd.

«Fühlt sich nach einer Ewigkeit an», konstatierte Anna ernst.

Admiral Dunleavy zögerte kurz, bevor er das Thema wechselte. «Ich habe mich gefreut, als mich Counselor Donovan über Ihre Diensttauglichkeit informiert hat», meinte er und setzte sich wieder.

«Keine Sekunde zu früh, Admiral. Meines Erachtens hätte er mich schon vor einem Monat für tauglich erklären können.» Annas Stimme klang halb vorwurfsvoll, halb ungeduldig.

«Oder es ist der perfekte Zeitpunkt. Denn ich glaube, Sie sind die Richtige für diesen speziellen Auftrag», beschwichtigte Dunleavy und blickte sie einen Moment prüfend an. «Aber das sehen wir gleich. Schon von Projekt ‹Echo› gehört?»

«Nein, Sir», erwiderte die Commander mit einer Mischung aus Zweifel und Neugierde.

«Gut.» Der Admiral nickte. «Das Projekt ist nämlich als streng geheim eingestuft. Es geht um eine experimentelle Sensortechnologie mit dem Potenzial, getarnte Schiffe aus einer grossen Distanz zu lokalisieren. Ca. achtzigmal grösser als heute. Ich muss Ihnen nicht sagen, was diese Technologie für unsere Kriegstruppen bedeuten würde.»

Ramirez hob beeindruckt die Augenbrauen. «Faktor achtzig? Kann das sein? Das wären ja fast zwei Magnituden, ein Riesensprung! Es würde jedenfalls einen Höllenunterschied machen, Admiral.»

«Richtig», Dunleavy zeigte mit einem erneuten Nicken seine Zustimmung. «Der Haken an der Sache: Die Technologie ist noch nicht serienreif. Im jetzigen Zustand ist ihr Einsatz riskant. Für die weitere Entwicklung müssen wir jetzt raus aus dem Labor ins All. Dazu rüsten wir gerade ein Schiff mit einem Prototyp aus und stellen die richtige Crew zusammen. Ich habe dabei an Sie gedacht.»

«An mich?» fragte Ramirez erstaunt. «Ich hätte erwartet, dass Sie mich einem Schiff mitten im Kriegsgeschehen zuweisen – und nicht als Erste Offizierin auf eine Testfahrt mit ein paar Ingenieuren schicken. Ist das nicht Verschwendung von meinen Fähigkeiten und meiner Erfahrung? Zumal ich den Feind gerade monatelang aus allernächster Nähe erlebt habe und das Wissen jetzt einsetzen kann… und will», fügte sie mit Nachdruck hinzu. «Oder verfügen alle Schiffe an der Front über diese Erfahrung und sind voll besetzt?»

«Ja und nein», gab sich der Admiral mehrdeutig und lehnte sich zurück. «Klar könnten wir Sie an der Front brauchen. Ihre Gefechtserfahrung und vor allem Ihre Einblicke in die Denkweise des Dominion sind Gold wert. So viele Kriegsgefangene kehren schliesslich nicht lebend zurück.» Er hielt nach diesem bedrückenden Satz kurz inne, bevor er sich zwang fortzufahren: «Gleichzeitig ist ein Einsatz an der Front auch ein gewisses Risiko, weil Ihr Trauma vermutlich noch nicht voll verarbeitet ist. Aber für die Mission ‹Echo› können wir das Risiko eingehen. Oder müssen wir sogar. Aus zwei Gründen.» Er hob zwei Finger in die Luft.

Dunleavy erhob sich aus seinem Sessel, trat ans Fenster und blickte hinaus. «Erstens werden wir die Echo-Technologie irgendwann auch an der Front testen müssen», fuhr er fort, ohne Ramirez anzublicken. «Es wird Feindberührung geben – nicht sofort, aber früher oder später schon. Dafür braucht die Crew Ihre Kriegserfahrung.»

«Und zweitens?» bohrte Anna nach.

«Zweitens geht es nicht um den Posten der Ersten Offizierin, sondern den der Kommandierenden Offizierin.» Nun drehte sich Dunleavy um und sah Ramirez direkt in die Augen. «Sie würden das Kommando über die Mission haben.»

Commander Ramirez machte den Eindruck, als habe sie falsch gehört. «Ich soll die Mission leiten?» fragte sie ungläubig.

«Richtig. Denn drittens», ergänzte der Admiral und reichte ihr ein PADD, «sind Sie einzigartig dafür qualifiziert, mit dem leitenden Wissenschaftsoffizier zusammenzuarbeiten.»

«Der dritte von zwei Gründen? Na prima.» Anna ergriff zögerlich das PADD, ihre Augen noch skeptisch auf das Gesicht des Admirals gerichtet. Nach einem kurzen Moment richtete sie ihren Blick auf das PADD und überflog die Besatzungsliste. Sie runzelte die Stirn und schüttelte vehement den Kopf.

«Morro? Zelan Morro ist der Chief Science Officer?» Ihre Augen richteten sich wieder auf Dunleavy. «Ausgeschlossen! Das soll wohl ein Scherz sein, Sir.»

«Ganz und gar nicht, Commander Ramirez», wurde Dunleavy nun formell. «Nach allem, was zwischen Ihnen passiert ist, sind Sie genau die richtige, Morros Genie und Forschungsdrang in die richtige Bahn zu lenken und sicherzustellen, dass uns das Projekt nicht um die Ohren fliegt.»

Anna konnte es noch immer nicht fassen. Ihr ungläubiger Blick wechselte vom Admiral zum PADD und wieder zurück. «Mit allem Respekt, Sir. Ich halte das für eine sehr schlechte Idee. Wir haben seit der …» Ihre Stimme versagte. Sie musste sich räuspern und nahm eine verteidigende Körperhaltung ein. «Seit dem Vorfall auf der U.S.S. Oppenheimer haben wir keinen Kontakt mehr. Mit Verlaub, die Besetzung von Morro als Chief Science Officer ist meines Erachtens die falsche Wahl. Und sie wird bestimmt nicht besser dadurch, dass ich ihn kommandieren soll!»

«Er hat die Technologie entwickelt. ‹Echo› ist seine Kreation», stellte der Admiral mit entschiedener Stimme klar. «Ohne ihn gäbe es den Prototypen nicht. Und sein Prototyp kann uns in diesem Krieg den Hintern retten, am besten gestern schon. Wir haben alles andere als Zeit und müssen auf ihn setzen. Ob Ihnen oder mir das schmeckt, ist völlig irrelevant.»

Es vergingen einige Sekunden angespannter Stille. Es war zu erkennen, wie es in Anna Ramirez arbeitete und sie nach Argumenten suchte. Schliesslich legte sie das PADD auf den Tisch und ihre Körperhaltung entspannte sich etwas. «Das war mir nicht bewusst, Sir.»

«So, wie ich das sehe, Anna, biete ich Ihnen gleich mehrere fantastische Gelegenheiten.» Auch Richard Dunleavys Spannung fiel nun, als er sich auf den Sessel an ihrer Seite setzte und sie wie ein wohlwollender Mentor anblickte. Er zählte auf: «Sie erhalten Ihr erstes Kommando. Sie erhalten die Chance, einen kriegsentscheidenden Beitrag zu leisten und das Dominion für Ihre Kriegsgefangenschaft bezahlen zu lassen. Und wer weiss, Sie erhalten vielleicht die gute Freundschaft zurück, die Sie mit Morro hatten. Das klingt nach einem einmaligen Angebot, wenn Sie mich fragen.»

Anna Ramirez biss sich grübelnd auf die Lippen. «Ich bin ganz offen, Admiral. Mir das Kommando zu geben, halte ich nach wie vor für keine gute Idee. Ist das ein Befehl?»

Der Admiral erhob sich wieder aus dem Sessel und kehrte auf die andere Seite des Tischs zurück. «Sagen wir es so: Sie lassen mich schlecht aussehen, wenn Sie Ihr erstes Kommando ausschlagen. Ich habe ziemlich viel Überzeugungsarbeit in der Admiralität leisten müssen, Ihnen solch einen Posten so unmittelbar nach dem Counseling anbieten zu können», erklärte der Admiral. «Darum behalten Sie vorerst auch nur den Rang einer Commander, weil wir erst beweisen müssen, dass es eine gute Idee ist. Aber um es ganz klarzumachen: Sie sind in dieser Konstellation ohne Wenn und Aber die beste Commanding Officer für die U.S.S. Tycho. Davon bin ich felsenfest überzeugt. Wir brauchen Sie unbedingt, die anderen Optionen bereiten uns viel mehr Bauchschmerzen.»

Anna Ramirez sank in ihren Sessel zurück und atmete hörbar aus. «Ich bin überwältigt, Sir. Mit so einer Herausforderung habe ich nicht gerechnet.» Sie hielt kurz inne. «Vielen Dank für das Vertrauen. Ich weiss ehrlich nicht, ob ich bereit dafür bin und was ich jetzt sagen soll.»

«Wie wär’s mit ‹Aye, Sir›?» Er hob das PADD vom Tisch auf und reichte es ihr erneut. Dann verdüsterte sich sein Blick. «Lassen Sie uns diesem verdammten Krieg endlich ein Ende bereiten.»

Ramirez sah Dunleavy einen Moment lang direkt in die Augen. Dann erhob sie sich, straffte ihre Uniform und nahm das PADD entgegen. «Aye, Sir. Danke, Sir.»

«Sehr gut. Ich informiere die Admiralität und Besatzung.» Dunleavy lächelte sichtlich erleichtert. «Die Tycho ist ein feines Schiff. Sie liegt im Raumdock im Orbit und ist in den nächsten 48 bis 72 Stunden zum Auslaufen bereit. Sie müssen nur noch eine oder einen Chief Engineer finden, die Crew ist ansonsten schon komplett. Guten Flug und viel Erfolg, Anna.»

Kapitel 4

«Da ist sie», meinte die vulkanische Bajoranerin am Steuer des Raumshuttles und blickte neugierig durch den durchsichtigen Ansichtsschirm vor ihr. Aufgrund ihrer gemischten Abstammung war ihr Alter nicht ganz eindeutig zu bestimmen, lag aber vermutlich zwischen 40 und 50 Jahren.

Anna Ramirez, die neben ihr sass, wandte ihren Blick vom PADD in ihrer Hand ab und folgte erwartungsvoll den Augen der anderen Offizierin.

Das Shuttle befand sich im Anflug auf das Raumdock im Orbit der Erde, in dem die U.S.S. Tycho für ihre Mission ausgerüstet wurde. Die Sonne stand mittlerweile hinter dem Planeten, sodass das Raumschiff nur durch die Scheinwerfer des Raumdocks beleuchtet wurde.

«Mrs. Keva, lassen Sie uns mit gebührendem Abstand eine extra Runde drehen, damit wir einen guten Rundumblick bekommen», wies Ramirez die Pilotin an.

«Aye, Ma’am.» Keva betätigte ein paar Tasten und blickte wieder auf die Tycho. «Es scheint, als wären alle fünf Echo-Module schon installiert.»

Ramirez erhob sich aus ihrem Sitz und streckte ihren Hals, um einen guten Blick auf die Tycho zu erhaschen. «Sie wirkt flacher als auf den Schaubildern.»

Keva musste lächeln. «Und, wie fühlt sich das an – der erste Blick aufs erste eigene Schiff?» fragte sie.

«Unvergesslich!» antwortete Ramirez und konnte sich nun ebenfalls ein breites Grinsen nicht verkneifen. «Schön, dass wir diesen besonderen Moment zusammen erleben dürfen.» Sie legte Keva eine Hand auf die Schulter und wurde persönlich: «Überhaupt bin ich Ihnen sehr dankbar, B’Rala, dass Sie mich auf dieser besonderen Mission begleiten. Es bedeutet mir sehr viel, ein vertrautes Gesicht auf der Tycho zu haben.»

«Es ist mir eine Ehre, Anna.» Keva drückte kurz Ramirez’ Hand, die auf ihrer Schulter lag. «Und ich hätte es Ihnen übelgenommen, wenn Sie mich nicht auf diese Mission mitgenommen hätten.»

«Na, viel Auswahl hatte ich ja nicht», scherzte Ramirez mit einem Schmunzeln und setzte sich wieder auf ihren Platz. Dann wurde sie wieder ernst. «Spass beiseite, lassen Sie uns in der Shuttle-Rampe landen. Wir wollen Commander McGregor nicht zu lange warten lassen.»

«Aye, Ma’am,» bestätigte Keva, drückte ein paar Tasten und dirigierte das Shuttle behutsam auf die Rückseite des Raumschiffs. «Shuttle Whisper an U.S.S. Tycho. Wir befinden uns im Anflug über Vektor eins-acht-sechs und sind bereit zur Landung.»

«Tycho hier. Landeerlaubnis für Shuttle Whisper erteilt. Willkommen an Bord.»

«Danke, Tycho. Verstanden. Whisper, Ende.»


Mit gebührendem Sicherheitsabstand beobachteten zwei Offiziere vom Eingang der Shuttle-Rampe aus, wie die Whisper langsam durch das Kraftfeld glitt, das den Weltraum vom Inneren des Schiffs trennte, und sanft auf dem Deck landete. Beide waren Menschen: ein ca. 50jähriger, europäisch aussehender Mann mit leicht ergrautem Bart, und eine deutlich jüngere Asiatin, die neben dem breitschultrigen Europäer zierlich wirkte. Als die Antriebe verstummten und sich die Tür der Luftschleuse öffnete, traten die beiden Offiziere erwartungsvoll an das Shuttle heran.

Ramirez verliess zuerst das Shuttle, gefolgt von Keva. Der ältere der beiden Offiziere, die sie empfingen, ging einen Schritt auf sie zu.

«Commander, Lieutenant Commander», grüsste er die beiden Frauen förmlich und gab ihnen die Hand. «Willkommen an Bord der Tycho. Wir haben uns gestern schon kurz gesprochen: Ich bin Aiden McGregor, Erster Offizier, und das ist Lieutenant Chen Mei, Pilotin dieses stolzen Schiffs.» Auch die Asiatin reichte ihnen die Hand mit einem freundlichen Lächeln. «Herzlich willkommen!»

«Mr. McGregor, Mrs. Chen, ich freue mich sehr, Sie kennen zu lernen», erwiderte Ramirez ebenso freundlich. Nachdem sich die beiden Parteien die Hände geschüttelt hatten, fragte sie unverblümt: «Status?»

«Die Installation der neuen Sensorphalanx ist abgeschlossen», berichtete McGregor. «Die ersten drei Einheiten sind ausserdem schon kalibriert. Am vierten Modul sind wir gerade noch dran. Ich erwarte den Abschluss in der nächsten halben Stunde. Nummer 5 macht hingegen bei der Energiezufuhr unerwartete Probleme und ich kann noch nicht sagen, bis wann wir die Lösung erwarten können. Die Engineering- und Operations-Teams sowohl von der Tycho als auch vom Orbitaldock arbeiten allerdings mit Hochdruck daran.»

Ramirez wandte sich an Keva. «Mrs. Keva, die neuen Sensoren scheinen auf ihre Chef-Ingenieurin zu warten. Werfen Sie bitte einen Blick auf Modul 5.»

«Aye, Ma’am», bejahte die Offizierin mit dem goldgelben Kragen.

«Ich führe Sie zum Maschinenraum, Lieutenant Commander», bot Chen an, trat einen Schritt zurück und deutete mit ausgestrecktem Arm einladend in Richtung der schweren Türe, die zum Inneren des Schiffs führte. «Ihr Gepäck wird in der Zwischenzeit in Ihre Quartiere gebracht.»

«Sehr zuvorkommend, Mrs. Chen», neigte Keva dankend ihren Kopf und die beiden verliessen zielstrebig die Shuttle-Rampe.

Ramirez liess ihren Blick über das Deck schweifen. Mit einem zufriedenen Nicken richtete sie sich wieder an McGregor. «Und die Besatzung?» Sie begaben sich nun ebenfalls mit langsamen Schritten zur Tür.

«Alle anwesend, gesund und munter», bestätigte der Erste Offizier. «Mit einer Ausnahme: Admiral Dunleavy hat uns vor rund einer halben Stunde noch eine Intelligence Liaison Officer zugewiesen, eine Andorianerin namens T’Lora Soral. Sie ist noch nicht an Bord.»

Commander Ramirez runzelte die Stirn. «Der Geheimdienst? Hat der Admiral gesagt, warum?»

«Nein.» Aiden McGregor zuckte mit den Achseln. «Ich kann nur spekulieren, dass der Geheimdienst um jeden Preis sicherstellen will, dass die Mission streng geheim bleibt.»

«Hm», gab Ramirez nachdenklich von sich, als sie sich dem Turbolift näherten. «Davon abgesehen sind wir zum Auslaufen bereit?»

«Eigentlich schon», antwortete Commander McGregor mehrdeutig und blickte ausweichend auf die verschlossenen Türen des Lifts.

Anna Ramirez musterte ihn von der Seite, als die Geräusche hinter den Türen die Ankunft des Turbolifts ankündigten. «Und uneigentlich?»

Die Türen öffneten sich mit einem leichten Zischen. Ramirez betrat die Liftkapsel, gefolgt von McGregor. «Computer, Brücke», gab er das Ziel an.

Nachdem sich die Türen geschlossen hatten, nahm der Lift seine Fahrt auf und McGregor wandte sich Ramirez zu. «Erlaubnis, offen zu sprechen?»

«Bitte», erteilte sie ihm die Erlaubnis.

«Computer, anhalten», brachte McGregor den Turbolift zum Stillstand. «Ganz ehrlich, ich hätte das Kommando über das Schiff und die Mission bestens selbst übernehmen können. Immerhin kenne ich das Schiff und den Grossteil der Besatzung schon seit Jahren», verschaffte McGregor selbstsicher seinem Unverständnis Luft. «Mit allem Respekt, Commander: Mir ist unklar, warum der Admiral Sie mit der Mission betraut und nicht mich. Wenn schon jemand anderes das Kommando übernehmen soll, dann doch wenigstens jemand mit ein paar Jahren Kommandoerfahrung? Soweit ich das beurteilen kann, haben wir nun zwei Erste Offiziere an Bord und immer noch keinen Captain.»

«Computer, Fahrt wieder aufnehmen», ordnete Ramirez an, unbeeindruckt von seinem Unmut. Der Lift setzte sich wieder in Bewegung. «Vielen Dank für Ihre Offenheit, Commander. Lassen Sie mich zwei Dinge klarstellen. Erstens: Ihre Qualifikation stellt mit meiner Versetzung absolut niemand in Frage, und ich als Allerletzte.» Sie legte eine kurze Pause ein.

«Zweitens: Admiral Dunleavy hat seine Gründe, weswegen er mich mit dem Posten betraut hat. Die Einzelheiten brauchen Sie im Moment nicht zu interessieren. Alles in allem heisst das: Wir haben nur einen und genau den richtigen Ersten Offizier an Bord, nämlich Sie», Ramirez deutete zuerst auf McGregor und anschliessend auf sich, «und eine und genau die richtige amtierende Captain, nämlich mich. Ist das klar?»

Sie blickten sich direkt in die Augen. McGregor antwortete nicht sofort, offensichtlich war ihm Ramirez’ Antwort nicht gut genug.

«Ist das klar?» wiederholte Ramirez ihre Frage mit Nachdruck.

«Aye, Commander», bestätigte Aiden McGregor zähneknirschend.

«Gut. Und um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, erwarte ich von Ihnen, ab sofort mit ‹Captain› oder ‹Ma’am› angesprochen zu werden.» Sie blickte ihren Ersten Offizier herausfordernd an.

Es dauerte erneut einen Augenblick, bevor McGregor widerwillig antwortete. «Aye… Ma’am.»

Ramirez wandte sich den Türen des Turbolifts zu und verschränkte ihre Arme vor der Brust als Zeichen dafür, dass sie das Gespräch für beendet erachtete. Wenig später bremste der Turbolift ab, die Türen öffneten sich und Ramirez trat auf die Brücke der U.S.S. Tycho.

Kapitel 5

Die Krankenstation der U.S.S. Tycho war in gedämpftes Licht getaucht. Ausser dem entfernten, sanften und dumpfen Pulsieren des Schiffsantriebs waren nur vereinzelte Piepstöne der medizinischen Geräte zu vernehmen. Der dezente Geruch von antiseptischen Mitteln vermischte sich mit einem Hauch von wohlduftenden Aromaölen. Die Atmosphäre wirkte fast andächtig, als Lieutenant Commander Keva den Raum betrat. Als Halbblut waren ihr bajoranischer Nasenrücken und ihre vulkanischen Spitzohren verhältnismässig leicht ausgeprägt. Ihre Augenbrauen hingegen verrieten eindeutig ihre vulkanische Herkunft und ihr Ohrring ihre bajoranische Abstammung.

Eine vulkanische Ärztin, die in der Nähe stand, blickte auf. «Lieutenant Commander Keva. Schön, dass Sie doch noch den Weg zur Krankenstation gefunden haben. Ich habe Sie zusammen mit Commander Ramirez schon vor zwei Stunden erwartet.»

«Verzeihen Sie bitte. Lieutenant T’Laal nehme ich an? Leben Sie lang und in Frieden.» Keva formte ihre Hand zum vulkanischen Gruss, den die Ärztin erwiderte.

«Die neue Sensorphalanx hat unmittelbar meine Aufmerksamkeit erfordert, ich musste daher die medizinische Erstuntersuchung kurzerhand verschieben», erklärte Keva ihre Verspätung. «Wir haben die Situation jetzt aber einigermassen in den Griff bekommen.»

«Dass Sie direkt die Arbeit an einem streng geheimen Prototyp aufnehmen, bevor ich ihre Einsatzfähigkeit attestiere, müsste ich Ihrer Vorgesetzten melden», rügte T’Laal mit strengem Blick. «Nur scheint Commander Ramirez selbst wenig Wert auf ihr eigenes Attest zu legen, insofern erspare ich uns das.»

Keva musste schmunzeln und bot an: «Gerne erinnere ich die Commander an die Erstuntersuchung, Lieutenant.»

«Keine Sorge, das erledige ich schon selbst. Bitte setzen Sie sich», wies die Ärztin Keva an, deutete auf eines der Biobetten und ergriff einen medizinischen Tricorder.

Die neue Chef-Ingenieurin der Tycho nahm auf dem Biobett Platz und sah sich aufmerksam um, während sie von der Vulkanierin gescannt wurde. Ausser ihr und T’Laal waren noch zwei weitere Mitglieder des medizinischen Personals anwesend, die im hinteren Teil der Krankenstation unaufgeregt und konzentriert ihrer Arbeit nachgingen. Die restlichen Biobetten waren leer, ebenso wie die dazugehörigen Bildschirme. Man konnte sehen, wie die Krankenstation mit höchster Disziplin und Effizienz geführt wurde. Alle medizinischen Geräte waren fein säuberlich sortiert und für den Ernstfall griffbereit. Es wirkte wie die Ruhe vor dem Sturm.

Kevas Blick kehrte zu T’Laal zurück. Die Ärztin betätigte ein paar Tasten auf ihrem Tricorder und hob auf typisch vulkanische Art ihre linke Augenbraue.

«Sie haben vermutlich eben meine doppelte Psionische Drüse entdeckt», übersetzte Kera die hochgezogene Augenbraue der Ärztin.

«Bemerkenswert.» Ohne weitere Gefühlsregung studierte die Vulkanierin konzentriert die Anzeige des Tricorders.

«Seien Sie unbesorgt, diese bildet sich bei rund 0.2% aller vulkanischen Bajoranerinnen und hat bisher nur in äusserst seltenen Fällen zu Komplikationen geführt», informierte Keva sachlich. «Sie haben darüber sicherlich schon in meiner medizinischen Akte gelesen.»

«In der Tat habe ich Ihre Akte aufmerksam studiert, Lieutenant Commander», bestätigte T’Laal und klappte den Tricorder zu. «Bemerkenswert ist vielmehr die Tatsache, dass die zweite Drüse signifikant grösser ist als bei ihrer letzten Untersuchung. Über 8%, um genau zu sein. Das sollten wir im Auge behalten, damit Sie nicht genau zu einem dieser Fälle äusserst seltener Komplikationen werden.»

«Oh», verschlag es Keva für einen Moment die Sprache. «Muss ich mir Sorgen machen?»

«Im Augenblick befinden sich die Werte im akzeptablen Bereich. Sie verfügen damit sogar über eine überdurchschnittliche Resistenz gegen toxische Substanzen. Wann haben Sie zuletzt meditiert?»

«Vor drei Jahren und fünf Monaten», erinnerte sich Keva dank ihres vulkanischen Gedächtnisses genau. «Wissen Sie, vulkanische Meditation ist nicht unbedingt mein Geschmack.»

«Ihre Meditationsdisziplin lässt zu wünschen übrig, Lieutenant Commander. Ihre halbvulkanische Physiologie stellt gewisse Anforderungen. Es wäre unlogisch, diese als Geschmackssache abzutun», ermahnte die Doktorin.

Keva musste lachen. «Die Logik liegt darin, dass es nicht nach dem Geschmack meiner halbbajoranischen Physiologie ist.»

In diesem Moment ertönte über die Sprechanlage die Stimme des Ersten Offiziers. «McGregor an alle leitenden Offiziere. Bitte begeben Sie sich zur Einsatzbesprechung in den Konferenzraum auf Deck 1. McGregor, Ende.»

Die Vulkanierin tippte auf ihren Kommunikator. «Keva und T’Laal unterwegs, Sir.»

Nun war es an der Halbvulkanierin, eine Augenbraue zu heben. «Ich schliesse daraus, dass Sie mich für diensttauglich erklären?»

«Das ist die logische Schlussfolgerung.» Die Ärztin nickte.


Anna Ramirez stand wartend am Fenstersims des überschaubaren Konferenzraums, an dessen Tisch noch zwei Sitze frei waren, und beobachtete wohlwollend ihr Offiziere, von denen sich einige lebhaft über die bevorstehende Mission unterhielten. Sie und Lieutenant Keva hatten sich eben als Neuankömmlinge allen vorgestellt, die sie davor noch nicht getroffen hatten.

Hinter ihr waren aus dem Fenster Teile des Weltraumdocks und ein kleiner Ausschnitt der Nachtseite der Erde zu sehen. Die hintere Türe öffnete sich mit dem typischen Laut und die Offiziere Conti und Morro traten ein.

Conti lief zielstrebig mit breitem Lächeln und ausgestreckter Hand um den Tisch herum auf Ramirez zu. «Ma’am! Wundervoll, Sie endlich zu treffen. Giancarlo Conti, zu Ihren Diensten. Entschuldigen Sie, wir waren bis jetzt voll mit der Kalibrierung von Modul 5 beschäftigt.»

«Mr. Conti, die Freude ist ganz meinerseits», ergriff Ramirez lächelnd seine Hand und schüttelte sie herzlich. «Richtig so, dass Sie sich auf die Inbetriebnahme von ‹Echo› konzentrieren. Bitte nehmen Sie doch Platz, ich werde Sie nicht lange von der Arbeit abhalten.»

Während der Südeuropäer sich an den Tisch setzte und mit einem Nicken die restlichen Offiziere grüsste, stand Morro noch in der Nähe des Eingangs. Er und Ramirez blickten sich aus der Distanz einen unangenehm langen Moment still an. Die Offiziere am Tisch verstummten und verfolgten den Gefühlswandel mit grossen Augen.

«Lieutenant Commander Morro», ergriff Ramirez schliesslich das Wort. «Man sieht sich wohl tatsächlich immer zwei Mal im Leben.» Ihr Lächeln war verschwunden und ihre Worte wirkten kühl. Die Spannung im Raum war für alle deutlich spürbar.

«In der Tat, Commander Ramirez», entgegnete Morro ebenso distanziert und wartete ab.

Ohne weitere Höflichkeitsfloskeln zog Ramirez ihren Stuhl von der Tischkante weg, setzte sich hin und eröffnete die Besprechung. Morro nahm ebenso Platz.

«Meine Damen und Herren», übertünchte Ramirez professionell die angespannte Situation, die sich soeben abgespielt hatte. «Sie sind meines Wissens alle schon über unsere Mission im Bilde. Ich erspare mir also ein detailliertes Briefing und möchte die letzten Informationen austauschen, bevor wir aus dem Dock laufen.»

Sie warf einen Blick auf das PADD vor ihr auf dem Tisch. «Zwei Punkte zur Personalsituation. Erstens: Wir erwarten noch die Ankunft von Lieutenant Commander T’Lora Soral als Verbindungsoffizierin zum Geheimdienst. Kennt sie jemand von Ihnen?»

Es herrschte Schweigen, manche der Offizierinnen und Offiziere schüttelten ihren Kopf.

«Alles klar. Zweitens», fuhr Ramirez fort, «möchte ich Sie alle darüber informieren, dass ich die offene Rolle der Zweiten Offizierin an Lieutenant Commander Keva B’Rala übertragen habe. Die Kommandokette der Tycho ist damit wieder vollständig. Ich bitte Sie, Mrs. Kevas Arbeit in dieser zusätzlichen Rolle tatkräftig zu unterstützen.»

Nun huschte wieder ein Lächeln über ihre Lippen. «Gratulation, Lieutenant Commander.»

Die Offiziere brachten sich anschliessend der Reihe nach gegenseitig kurz auf den letzten Stand der Dinge. Nach einer Viertelstunde waren alle Informationen ausgetauscht. Die Echo-Technologie war verbaut und eingerichtet. Auch die Instabilitäten des fünften Moduls schien die Besatzung mittlerweile im Griff zu haben.

«Dann schlage ich vor, morgen 0800 die Sensor-Phalanx in Betrieb zu nehmen», fasste Morro zusammen und blickte sich um. «Gibt es Einwände dagegen?»

«Bestens, dann also morgen 0800. Vielen Dank für die gute Arbeit! Wegtreten», schloss Ramirez die Einsatzbesprechung und fügte hinzu: «Mr. Morro, bleiben Sie bitte noch.»

Die Kommandantin und der Wissenschaftler blieben sitzen, während sich die restlichen Offiziere erhoben und den Raum durch die verschiedenen Ausgänge verliessen. Als sich die Türen wieder schlossen, ergriff Ramirez angespannt das Wort. «Zelan, wir müssen ein paar Spielregeln aufstellen, wenn diese Mission ein Erfolg werden soll.»

«Einverstanden.» Morro nickte.

«Gut.» Ramirez war sichtlich über die Reaktion ihres Gegenübers erleichtert. «Zunächst sollten wir die Vergangenheit tatsächlich Vergangenheit sein lassen. Lass uns die Ereignisse auf der Oppenheimer vergessen und nach vorn schauen.»

«Das begrüsse ich sehr, danke.» Auch Zelan Morro schien erleichtert.

Ramirez erhob sich nun aus ihrem Sessel. «Ausserdem sollte klar sein, dass ich als amtierende Captain alle Risiken im Zusammenhang mit ‹Echo› beurteile, und zwar abschliessend beurteile. Es ist mein Wort, das am Schluss zählt.»

«Absolut. Unter einer Bedingung, Anna», entgegnete der Wissenschaftler entschieden und stand ebenso auf.

«Bedingung? Nein, das ist unverhandelbar!» setzte Ramirez stirnrunzelnd zum Protest an, wurde jedoch von Morro unterbrochen, der die Hand hob.

«Moment, lass mich bitte ausreden. Mein Wunsch ist», korrigierte er sich leicht pikiert, «dass du dich ernsthaft mit der Echo-Technologie auseinandersetzt. Dass du ernsthaft das ganze Potenzial der Sensoren in Betracht ziehst.» Er sah die Commander fordernd an und machte eine ausschweifende Geste. «Dass du an all die Wesen da draussen denkst, für die wir den Krieg beenden können, bevor du etwaige Risiken beurteilst. ‹Echo› ist grösser als du und ich zusammen!»

«Lieutenant Commander Morro», wechselte Anna Ramirez nun sichtlich gereizt auf Rang und Nachnamen. «Bilden Sie sich keine Sekunde ein, dass es mir hier um Sie und mich geht. Ich habe dieses … dieses Himmelfahrtskommando nur aus einem einzigen Grund übernommen: gerade weil ich das Potenzial dieser Technologie sehe!» Dann fiel sie unbewusst aufs Du zurück: «Ich habe das Potenzial gesehen, bevor ich wusste, dass wir dir diese Chance zu verdanken haben!»

Morro sah Ramirez verdutzt an und brauchte einen Moment, das eben Gehörte einzuordnen. Dann sagte er mit ruhiger Stimme: «Gut. Damit kann ich fürs Erste leben. Lass uns das nicht kaputt machen. Es steht zu viel auf dem Spiel»

«Tu’ deinen Teil. Und ich trage meinen bei, und zwar als amtierende Captain mit der vollen Verantwortung für Mission, Besatzung und Schiff», beharrte Ramirez.

Sie blickten sich einen Augenblick stumm an. Es schien alles gesagt worden zu sein. «Erlaubnis, wegtreten zu dürfen?» fragte der Wissenschaftsoffizier schliesslich.

«Genehmigt.»

Ramirez beobachtete, wie Zelan Morro den Raum verliess. Sie blieb noch einen Moment stehen, dann stiess sie einen lauten Seufzer aus. «Das kann ja heiter werden.» Dann ergriff sie das PADD, das noch auf dem Tisch lag, und trat durch die Tür über den Korridor auf die Kommandobrücke.

Kapitel 6

Der leitende Sicherheitsoffizier der Tycho, ein Russe namens Rostov, betrat den Transporterraum und grüsste den Chief, der hinter der Konsole stand, mit einem knappen Nicken. Dann wandte er sich der Plattform zu, nahm Haltung ein und gab dem Chief den Befehl: «Energie.»

Auf der Plattform manifestierte sich die hoch gewachsene Andorianerin T’Lora Soral im Strahl des Transporters. Die Offizierin des Geheimdiensts trug eine Schultertasche und hielt ein PADD in der Hand. Ihr bläulich schimmernder Teint wurde von der kalten Beleuchtung der Transporterplattform noch mehr hervorgehoben. Sie blickte sich rasch systematisch um, während ihre Antennen sich sanft nach aussen und anschliessend nach vorne wiegten, bevor sie vom Podest trat.

«Lieutenant Commander Soral, willkommen an Bord der U.S.S. Tycho.» Der Russe stellte sich ihr vor und kam ohne Umschweife zur Sache: «Mein Name ist Jamin Rostov, ich bin Chief Security & Tactical Officer. Ich darf Sie zu Commander Ramirez begleiten.»

Soral, die auch ohne Antennen mindestens einen halben Kopf grösser war als Rostov, musterte den Sicherheits-Chef mit aufgerichteten Fühlern von oben bis unten. «Vielen Dank für das Angebot, Lieutenant, ich komme später gerne darauf zurück. Zuerst muss ich Lieutenant Commander Morro sprechen, und zwar unter vier Augen. Wo finde ich ihn?»

Rostov runzelte die Stirn und wich keinen Zentimeter zurück. «Tut mir leid, Lieutenant Commander. Mein Befehl lautet, Sie direkt nach Ihrer Ankunft zur Commander zu bringen.»

«Ihr Befehl gilt noch nicht für mich, Lieutenant», wies Soral den Sicherheitsoffizier zurecht und lächelte süffisant. «Noch rapportiere ich ausschliesslich an Captain Gralok vom Geheimdienst der Sternenflotte, bis Commander Ramirez meinen Dienstantritt als Verbindungsoffizierin quittiert. Und das ist bisher», sagte sie und hielt ihm das PADD unter die Nase, «noch nicht geschehen. Also nochmals: Wo finde ich Mr. Morro?»

Jamin Rostov blieb unbeirrt. «Solange Sie ihre Rolle als Liaison Officer noch nicht offiziell angetreten haben, gelten Sie als Gast und haben sich an die Anweisungen des Sicherheitspersonals zu halten.» Nun lächelte er selbstsicher. «Also auch an meine Anweisungen.»

Soral musterte Rostov erneut. «Gut gespielt», erkannte sie zufrieden an. Und als habe der bisherige Wortwechsel gar nicht stattgefunden, schlug sie unvermittelt einen vorwurfsvollen Ton an. «Worauf warten Sie noch? Bringen Sie mich bitte zu Commander Ramirez. Ich habe schliesslich nicht den ganzen Tag Zeit!»

Der Sicherheitsoffizier war von ihrem abrupten Sinneswandel für den Bruchteil einer Sekunde irritiert, schien dann aber zu realisieren, dass sie weiter Spielchen mit ihm trieb, und fing sich wieder.

«Wenn Sie dann endlich so weit wären, bitte hier entlang», spielte Rostov mit und deutete einladend in Richtung Korridor.

Soral liess sich nicht weiter bitten und schritt durch die Tür. Rostov warf dem Transporter Chief einen entnervten Blick zu, der das Wortgefecht leicht amüsiert verfolgt hatte, und folgte der Geheimdienstoffizierin.


Anna Ramirez stand mit einem eher schmächtig wirkenden Denobulaner an der Wissenschaftskonsole auf der Brücke der U.S.S. Tycho und scrollte über den Bericht der fertig konfigurierten Experimentalsensorik.

«Ist der Energiebedarf für diese Sensoren tatsächlich so gross, Dr. Soren? Das ist doch massiv… Entspricht das nicht rund einem Zehntel unserer Gesamtenergie?»

«Das ist korrekt, Commander», bestätigte Soren mit einem gemächlichen Kopfnicken. «Darum haben wir auch die Dilithiumkristallkammer vergrössern und verstärken müssen, damit die Tycho mehr Energie generieren kann. Wir sind dabei ans Limit gegangen. Ohne diese Änderungen wäre der relative Bedarf durch die neuen Sensoren noch höher, nämlich über 15%.»

Commander Ramirez’ erhobenen Augenbrauen zeugten von ihrer Verwunderung. «Unglaublich! Das heisst also, trotz Vergrösserung unserer Energiekapazität steht uns in einer Krisensituation 10% weniger Energie zur Verfügung, wenn ‹Echo› aktiv ist?»

«Richtig. Es handelt sich um aktive Sensoren, die Resonanzen im Schwerekraftfeld auslösen und entsprechende Reflektionen wieder auffangen. Diese Resonanzsignale zu generieren, kostet momentan enorm viel Energie. Zu viel Energie. Darum ist es wichtig, dass wir den Prototyp weiterentwickeln und unter anderem den Energiebedarf dieser Sensortechnologie reduzieren.»

«Ich verstehe.»

Die beiden wurden durch Lieutenant Conti unterbrochen. «Ma’am, Lieutenant Commander Soral vom Geheimdienst ist jetzt an Bord», meldete er von seiner Konsole. «Die Crew ist damit vollzählig und wir können ablegen, wenn Sie wünschen.»

Ramirez bedankte sich rasch bei Dr. Soren. Dann stieg sie schwungvoll die zwei Stufen von der Wissenschaftskonsole zur Kommandobrücke herab und setzte sich neben ihrem Ersten Offizier auf den Sessel der Kommandantin. In ihrem Gesichtsausdruck war eine Mischung aus Spannung, Freude und Stolz zu erkennen. «Wunderbar, Mr. Conti. An alle: Bereit machen zum Abflug!»

«Aye, Ma’am.»

Schlagartig stieg die Spannung auf der Brücke. Auf allen Stationen begannen die Offizierinnen und Offiziere emsig, ihre Startprotokolle zu durchlaufen und ihre Abflugbereitschaft sicherzustellen.

Ramirez betätigte eine Taste auf der Konsole neben ihrem Sessel und aktivierte die Kommunikationsanlage für eine Durchsage auf dem gesamten Schiff. «Hier spricht Commander Ramirez. Ich bin erst seit gestern an Bord und konnte daher nur ein paar von Ihnen bisher persönlich treffen und kennen lernen. Ich freue mich schon, in den nächsten Stunden und Tagen Ihnen allen persönlich zu begegnen. Und doch weiss ich schon jetzt, dass unser feines Schiff von einer herausragenden Crew besetzt ist.»

Sie blickte McGregor an, der sie aufmerksam beobachtete, nickte ihm gut gelaunt zu und fuhr fort: «Vor uns liegt eine äusserst anspruchsvolle Mission, die jeder und jedem Einzelnen von uns viel abverlangen wird. Ich zähle darauf, dass Sie Ihren besten Dienst leisten und sich alle aufopferungsvoll um das Wohlergehen ihrer Crew-Mitglieder kümmern werden. Wie Sie wissen, liegt es in unserer Hand, dem unsäglichen Krieg mit dieser Mission eine entscheidende Wendung zu geben. Das ist eine grosse Aufgabe und Ehre zugleich. Dafür wünsche ich uns allen von Herzen gutes Gelingen. Wir beginnen nun mit der Abflugprozedur. Ramirez, Ende.»

Nun übernahm Aiden McGregor das Prozedere und folgte der Checkliste auf seiner Konsole. «An alle leitenden Offiziere, Bereitschaftsstatus. Maschinenraum?» – «Alle Systeme bereit», meldete Keva über das Kommunikationssystem.

«Wissenschaftslabor?» – «Wissenschaft bereit», ertönte Morros Stimme.

«Krankenstation?» – «Bereit für den Abflug, Sir», bestätigte T’Laal von Deck 4.

Als nächstes ging McGregor die Brückenoffiziere durch: «Operations, Mr. Conti?» – «Alles bereit, Commander.»

«Mrs. Valeris, Security & Tactical?» – «Deflektor- und Schildsysteme bereit, Sir.»

«Mrs. Chen, Helm?» «Bereit zum Auslaufen. Und die Freigabe vom Dock haben wir auch schon erhalten.»

McGregor wandte sich an Ramirez. «Wir sind startklar, Ma’am.»

In diesem Moment erschien Soral auf der Brücke, gefolgt von Rostov, und trat zur Reling hinter der Kommandobrücke, von wo sie das Ablegemanöver verfolgte.

«Danke, Commander», sagte Ramirez erfreut. «Lieutenant Chen, führen Sie uns aus dem Orbitaldock.»

«Aye, Commander», bestätigte die Pilotin und bediente ihre Steuerkonsole mit flinken Fingern. Während sie dem Computer die Steuerbefehle gab, liess sie die Brücken-Crew wissen, was sie tat. «Andockklammern gelöst… Dorsalschubdüsen für zwei Sekunden auf 20%… Hauptschubtriebwerke auf halbe Kraft.» Einen Augenblick später bestätigte sie: «Geschwindigkeit 8 m/s und steigend. 12. 20. Ma’am, nach drei Wochen als lahme Ente im Dock sind wir offiziell wieder flügge! Wir haben den Perimeter des Docks soeben verlassen. Welchen Kurs darf ich anlegen?»

«Kurs 1-7-3 Mark 3. Warp 2. Wir lassen es gemächlich angehen.»

«1-7-3 Mark 3, aye», wiederholte Chen mit einem leichten Anflug von Aufregung.

«Vámonos – auf geht’s!» befahl Anna Ramirez mit einem Lächeln im Gesicht. Die Tycho vollzog einen leichten Bogen weg vom Planeten nach backbord und sprang dann auf Warp-Geschwindigkeit.

Kapitel 7

Der kleine Bereitschaftsraum an Bord der Tycho war eine Mischung aus modernem Design und funktionaler Nüchternheit. Das leise Summen der Warp-Triebwerke war im Hintergrund kaum wahrnehmbar, ein beruhigendes Geräusch, das die Stille füllte. Die Beleuchtung war dezent, mit weichen Lichtbändern an den Wänden und einer zentralen Leuchte über dem eleganten, futuristischen Schreibtisch, vor dem auf dem Boden zwei Kisten voller persönlicher Gegenstände standen. Der Raum roch frisch, eine Mischung aus der sterilen Reinheit der Luftfilter und einem Hauch von Politur. Der Boden war mit einem dicken Teppich ausgelegt, der bei jedem Schritt ein gedämpftes, weiches Gefühl vermittelte. Pflanzen an den Wänden und eine kleine Bonsai-Pflanze auf dem runden Tisch vor der Couch gaben dem Raum einen Hauch von Leben. Die Fensterfront war frontal ausgerichtet, sodass man von hier aus immer in Flugrichtung sehen konnte – ebenso wie im Konferenzraum, der spiegelbildlich auf der anderen, der Steuerbord-Seite von Deck 1 untergebracht war. Entsprechend konnte man durch die Fenster anhand der langgezogenen Lichtstreifen der vorbeiziehenden Sterne erkennen, dass das Schiff sich gerade in Warp-Geschwindigkeit vorwärts bewegte.

Die Tür öffnete sich, Anna Ramirez betrat den Raum und begab sich zum Schreibtisch. Hinter ihr erschien T’Lora Soral, die grossgewachsene andorianische Verbindungsoffizierin zum Geheimdienst.

«Mrs. Soral, bitte nehmen Sie Platz.» Commander Ramirez deutete auf die Sitze vor dem Schreibtisch.

«Danke, Commander. Ich bleibe gern stehen, wenn es Ihnen recht ist.» Sie stellte sich breitbeinig hin und verschränkte die Arme hinter ihrem Rücken.

«Wie Sie wünschen.» Ramirez überlegte, wo sie sich hinsetzen sollte, bevor sie sich dafür entschied, halb auf der Kante ihres Schreibtischs zu sitzen bzw. sich halb daran anzulehnen. «Dann schiessen Sie mal los! Admiral Dunleavy hat in meinem persönlichen Mission Briefing kein Wort davon erwähnt, dass er mir eine Intelligence Liaison Officer zuweisen würde.»

«Mein Versetzungsantrag hat seinen Weg erst zum Admiral gefunden, da hatten Sie meines Wissens Ihr Briefing schon hinter sich. Um es kurz zu machen: Mir liegen Informationen von zwei vertrauenswürdigen und unabhängigen Quellen auf Cardassia vor, die nahe legen, dass sich ein oder mehrere Spione bzw. Saboteure des Dominions an Bord befinden.»

Ramirez war bestürzt. «Das sind schlechtere Nachrichten, als ich erwartet habe!»

«In der Tat, Commander. Darum habe ich sofort meine Versetzung als Liaison Officer verlangt. Meine Aufgabe ist also zu verhindern, dass die Echo-Technologie dem Dominion in die Hände fällt oder das Projekt sabotiert wird.» Sorals Antennen beugten sich nach vorne. «Ich teile diese streng geheime Information mit Ihnen aus verschiedenen Gründen: Erstens sind sie der Tycho erst zugewiesen worden, nachdem mir die geheimdienstlichen Informationen über Spione oder Saboteure an Bord bereits vorlagen. Das senkt signifikant die Wahrscheinlichkeit, dass Sie einer der Maulwürfe sind. Zweitens wird es vermutlich zu Situationen kommen, in denen es für den Erfolg der Mission kritisch ist, dass Sie Ihre Entscheidung auf Basis dieses Wissens treffen.»

«Absolut», bekräftigte Ramirez und grübelte. «Nach dieser Logik müsste auch Lieutenant Commander Keva als Verdächtige entfallen, richtig? Denn ich habe sie naturgemäss erst rekrutiert, nachdem ich das Kommando erhalten hatte.»

«Ganz ausschliessen können wir zum jetzigen Zeitpunkt nichts. Nur: Die Wahrscheinlichkeit, dass Mrs. Keva eine Agentin des Dominions ist, liegt dadurch noch tiefer als in Ihrem Fall, Commander. Das ist richtig.» Soral hob mahnend den Finger. «Ich muss Sie dennoch darauf hinweisen, dass die Informationen, die ich soeben mit Ihnen geteilt habe, streng geheim und ausschliesslich für Sie als Kommandierende Offizierin gedacht sind. Sie weiter zu teilen, selbst mit Ihrer Zweiten Offizierin Keva, erhöht das Risiko eines Informationslecks unnötig.»

«Sie haben recht. Wir behalten das für den Moment unter uns zwei. Alle anderen an Bord müssen wir entsprechend als potenzielle Agenten und Agentinnen des Dominions einstufen, richtig?»

«Richtig, Ma’am. Ich werde sofort meine Untersuchung beginnen und Massnahmen zur Spionageabwehr implementieren. Dazu benötige ich als erstes Ihre Bestätigung, dass ich meinen Dienst als Verbindungsoffizierin an Bord aufnehmen kann und die entsprechenden Weisungsbefugnisse erhalte.» Soral reichte Ramirez das PADD, das sie im Transporterraum bereits Rostov unter die Nase gehalten hatte.

Ramirez nahm es entgegen und studierte die Angaben einen stillen Moment lang. Dann aktivierte sie den Computer per Sprachbefehl: «Computer.» Es erklang der Aktivierungston. «Eintrag ins Logbuch als amtierende Captain. Hiermit tritt Lieutenant Commander T’Lora Soral mit sofortiger Wirkung und bis auf Weiteres ihren Dienst als Senior Intelligence Liaison Officer an Bord der Tycho an. Sie erhält für die Erfüllung dieser Rolle die entsprechenden Kompetenzen. Sie berichtet ausschliesslich an mich und Captain Gralok vom Geheimdienst der Sternenflotte.»

«Bestätigt», antwortete der Computer. «Logbucheintrag vermerkt.»

Ramirez gab Soral das PADD zurück. «Sonst noch etwas, was ich wissen sollte, Lieutenant Commander?»

«Ja. Bitte stellen Sie der Crew gegenüber meine Anwesenheit als reine Routine bei Missionen wie dieser dar, die eine gewisse Geheimhaltungsstufe erfordern. Wir wollen so wenig wie möglich Staub aufwirbeln.»

«Abgemacht.»

«Ausserdem erwarte ich, dass Sie zu jeder Tages- und Nachtzeit für mich verfügbar sind», ergänzte Soral.

Ramirez hob die Augenbrauen und wich Sorals Forderung aus. «Ihre Erwartung ist notiert. Wenn das alles ist: Gute Jagd, Mrs. Soral. Wegtreten.»

«Danke ebenso, Ma’am.» Soral deutete mit ihrem Kopf eine leichte Verbeugung an und verliess den Raum.

Als sich die Türen schlossen, richtete sich Anna Ramirez auf und streckte sich. Sie wirkte auf einmal müde. «Worauf habe ich mich hier nur eingelassen», murmelte sie, drehte das Computer-Terminal auf ihrem Schreibtisch zu sich und aktivierte es. Sie rief die Besatzungsliste auf und sah sich der Reihe nach die Akten ihrer Offiziersriege an.

Nach einer Weile gähnte sie erschöpft und deaktivierte den Computer. Dann sah sie sich um und ihr Blick fiel auf die Kisten, die nach wie vor auf dem Boden standen. Sie hob sie auf und stellte sie behutsam auf den Schreibtisch.

Die Commander entnahm einer Kiste ein paar persönliche Gegenstände und stellte sie im Raum zur Dekoration auf. Ein Foto, auf dem sie selbst, ihre Mutter sowie vermutlich ihr Vater und zwei jüngere Geschwister zu sehen waren, stellte sie auf den Schreibtisch. Ein Lächeln huschte über ihre Lippen. Daneben legte sie einen ein kleines Amulett aus Metall, über das sie beinahe zärtlich strich. Als nächstes nahm sie ihr eingerahmtes Offizierspatent in die Hand, legt es jedoch rasch beiseite, denn ihr Blick fiel auf das darunter liegende Jahrgangsfoto.

Sie ergriff das längliche Bild und hob es empor, um es sich näher anzuschauen. Es war darauf eine Gruppe Kadetten zu sehen, die vor der Akademie der Sternenflotte stolz mit ihren Offizierspatenten in der Hand posierten. Mit einem Finger fuhr sie über die Stelle, auf der sie selbst zu sehen war – direkt neben einem bolianischen Kadetten, der eindeutig als jüngere Version von Zelan Morro zu erkennen war. Beide hatten ein breites Lächeln im Gesicht und je einen Arm um die andere Person gelegt.

So, wie es nur beste Freunde tun.

Anna Ramirez atmete hörbar ein. Ihr Blick verriet Wehmütigkeit.


Als Commander Ramirez ihren Bereitschaftsraum verliess und zurück auf die Brücke kehrte, blickten alle Anwesenden neugierig und gespannt auf sie. Nach ein paar Sekunden realisierte sie, dass alle Augen auf sie gerichtet waren.

«Was?» fragte sie verständnislos in die Runde.

Rostov, der hinter seiner Konsole am nächsten stand, fragte: «Ma’am, was hat Ihnen Lieutenant Commander Soral gesagt? Als Verantwortlicher für die Sicherheit an Bord des Schiffs sollte ich im Bilde sein, falls eine Gefahrenlage besteht.»

McGregor erhob sich aus seinem Sessel in der Mitte der Brücke und näherte sich ein paar Schritte. «In meiner Rolle als Erster Offizier geht es mir da ähnlich, Commander.» Er blickte sie fragend an.

«Meine Herren, Sie können ganz entspannt sein.» Ramirez winkte ab. «Mrs. Sorals Anwesenheit ist reine Routine. Sie wissen ja: Wir sind auf geheimer Mission, da müssen wir die eine oder andere Zusatzmassnahme treffen. Eine Verbindungsoffizierin zum Geheimdienst an Bord zu haben, ist eine davon. Das ist unter diesen Umständen nichts Ungewöhnliches, machen Sie sich keine Gedanken.» Anna Ramirez lächelte. «Und wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, es waren drei sehr lange Tage und ich brauche jetzt eine Pause.»

«Natürlich, Ma’am. Gute Nachtruhe.» Rostov nickte verständnisvoll.

«Bis morgen, Ma’am», fügte McGregor hinzu, weiterhin mit skeptischem Blick, und Ramirez verschwand wieder durch die Tür, durch die sie gekommen war.

Kapitel 8

«Noch etwas, was wir für Sie tun können, Sir?» Der Denobulaner Dr. Soren und ein menschlicher Ensign standen im Türrahmen zu Zelan Morros Büro, das Teil des Wissenschaftslabors war.

Morro, der mit dem Rücken zur offenen Tür gestanden hatte, drehte sich erfreut um und gab den Blick auf eine bläulich leuchtende und seltsam anmutende Pflanze frei. Er winkte mit der Hand. «Dr. Soren, Mr. Miller! Sehen Sie sich das an.»

Die beiden betraten zögernd das Büro des Chef-Wissenschaftlers.

«Haben Sie schon mal eine kugelbauchige Farnspinne gesehen?» Er winkte sie noch näher heran, während er liebevoll das blassblaue Laub der Pflanze streichelte.

Sie näherten sich weiter und betrachteten die Pflanze aus der Nähe. «Von der Form erinnert sie mich an eine gewöhnliche Erdenpflanze, aber dieses strahlende Leuchten ist wirklich faszinierend», gab sich Ensign Miller beeindruckt.

«Es ist eine der seltensten Pflanzen auf Bolarus IX. In meinem Quartier hat sie nicht so stark geleuchtet, hier scheint es ihr besser zu gefallen», freute sich Morro und verschloss sie wieder unter einer durchsichtigen Haube. «Das liegt sicher daran, dass sie im Quartier zu viel Zeit allein mit einem zobalianischen Wüstenkaktus namens Morro verbringt. Der ist zwar auch selten und strahlend, aber ziemlich stachlig!» Er lachte herzhaft und die anderen Offiziere stimmten ins Gelächter ein.

«Aber ich will Sie nicht länger von ihrem wohlverdienten Feierabend abhalten.» Morro wurde wieder ernst. «Wie verlief die letzte Stunde?»

«Sehr ruhig, Sir», berichtete Miller, noch immer schmunzelnd. «Alle Schiffssysteme sind weiter im Normalbetrieb, ganz unbeeindruckt vom neu installierten Sensor-Array.»

«Morgen können wir dann also wie geplant den ersten Test durchführen», ergänzte Soren.

«Wunderbar. Dann ab mit Ihnen in den Feierabend. Morgen erwartet uns ja wieder eine Menge Arbeit. Denn wie heisst es so schön: Ohne guten Ruf kein Echo!» Mit einem Augenzwinkern gab er den Offizieren einen Klaps auf die Schultern.

Soren und Miller kicherten, dann verabschiedeten sie sich und liessen ihren Vorgesetzten mit der leuchtenden Farnspinne in seinem Büro zurück. Als die beiden das Labor verliessen, drangen Stimmen kurzzeitig vom Flur durch die geöffneten Türen herein, bevor sie sich wieder schlossen und die Aussenwelt verstummte. Was blieb, waren die leisen Geräusche der Technologie im ansonst verwaisten Wissenschaftslabor.

Gerade als sich Zelan Morro wieder an die Arbeit machte, war erneut das Geräusch der sich öffnenden und schliessenden Türen des Labors zu hören.

«Haben Sie etwas vergessen, meine Herren?» fragte Morro, ohne den Blick zu heben. Als er keine Antwort erhielt, schaute er auf, erblickte die bedächtig heranschreitende Soral und zuckte unmerklich zusammen.

«Haben Sie mich erschreckt!» meinte er vorwurfsvoll, bevor er sich wieder fasste und die Andorianerin aufmerksam beäugte. «Jetzt hätte ich Sie beinahe gefragt, wie sie die Zutrittssperren zum Labor überwinden konnten. Aber wenn mich nicht alles täuscht, dürften Sie die Agentin vom Geheimdienst sein. Richtig?»

«Lieutenant Commander Morro», begrüsste die Andorianerin ihn in aller Seelenruhe, ohne seine Frage zu beantworten. «Ich hoffe, ich störe Sie nicht bei etwas Wichtigem.»

Der Chief Science Officer versuchte sich an ihren Namen zu erinnern. «Mrs. … Soral, oder? Was bringt sie zu später Stunde noch ins Labor?»

Die Verbindungsoffizierin antwortete nicht sofort, sondern blickte sich zunächst prüfend um. «Ich verschaffe mir ein erstes Bild von den Sicherheitsvorkehrungen, die zum Schutz von Projekt ‹Echo› getroffen … oder auch nicht getroffen worden sind.»

«Ah.» Morro nickte. «Ich versichere Ihnen, Lieutenant Commander, dass wir umfassende Massnahmen getroffen haben. Da können Sie vollkommen unbesorgt sein.»

Sorals eisblaue Augen kamen auf Morro zu ruhen. «Vollkommen unbesorgt?» fragte sie mit einem leichten Anflug von Sarkasmus. «Besorgt sein ist mein Job, Mr. Morro. Und meine Sorgsamkeit gilt momentan Ihnen und Ihrem Projekt. Ich muss Ihnen hoffentlich nicht erklären, wie sehr ‹Echo› sowohl für die Sternenflotte als auch für das Dominion von Interesse ist.» Sie verschränkte ihre Arme.

Morros Gesichtsausdruck erhärtete sich, als er sich aufrichtete und mit fester Stimme antwortete: «Lieutenant Commander, ich habe die letzten Jahre ganz dieser Erfindung gewidmet. Glauben Sie mir, ich bin mir der Bedeutung von Projekt ‹Echo› voll bewusst und ich habe jede erdenkliche Vorkehrung getroffen, um die Integrität der Technologie sicherzustellen!»

Die Andorianerin studierte aufmerksam seinen Gesichtsausdruck, ihre Antennen auf ihn fixiert. Nach einer kurzen Pause sagte sie: «Unterschätzen Sie die Entschlossenheit und die Fähigkeiten des Feindes nicht. Stellen Sie mir einen vollständigen Bericht über alle Schutzmechanismen bis morgen 1100 zusammen.»

Nun war es an Morro, die Geheimdienst-Offizierin argwöhnisch zu begutachten. «Haben Sie etwa Hinweise, dass das Dominion schon davon Wind bekommen hat? Und ausserdem: Wir nehmen Echo morgen um 0800 in Betrieb, ich bin also erst einmal damit beschäftigt. Ihr Bericht muss warten.»

Soral verzog keine Miene. «Ihr Bericht bis morgen 1100, Lieutenant Commander. Dann entscheide ich, ob die nötige nachrichtendienstliche Sicherheit für die Inbetriebnahme gegeben ist oder wir zuerst weitere Massnahmen ergreifen müssen.»

«Das ist wohl nicht Ihr Ernst?» schnaubte Zelan Morro empört.

«Gute Nacht.» Soral ignorierte Morros Empörung. Sie liess ihre Arme sinken, drehte sich um und begab sich ausgesprochen langsam wieder in Richtung Ausgang. Dabei liess sie ihren prüfenden Blick über jeden Zentimeter des Labors wandern, bevor sie schliesslich auf den Gang hinaustrat und sich die Türen hinter ihr wieder schlossen.

Kapitel 9

T’Lora Soral betrat ihr Quartier. «Licht auf 50 Prozent», wies sie den Computer an, der es sofort dämmte. Sie setze sich auf den Stuhl an ihrem Schreibtisch, lehnte sich erschöpft zurück und schloss die Augen.

Nach einem kurzen Moment erhob sie sich wieder, zog die Jacke ihrer Uniform aus und warf sie im Vorbeigehen zum Bad auf das Bett.

«Computer, stelle mir von den leitenden Offizieren für Science, Engineering und Operations die Dienstpläne der letzten zwei Wochen und ihre psychologischen Profile zusammen», sagte T’Lora, während sie die Hände unter den Wasserhahn hielt, um sich ihr Gesicht zu erfrischen. «Autorisierung Soral-Epsilon-zwei-fünf.»

Der Computer piepste. «Die Dienstpläne und Profile von Zelan Morro, Zariah Veena und Giancarlo Conti stehen auf Ihrem Terminal bereit.»

Soral stutzte. «Zariah Veena? Ist nicht Keva die Chef-Ingenieurin der Tycho?» fragte sie mit Runzeln auf der Stirn.

«Korrekt. Keva B’Rala ist seit heute Chef-Ingenieurin und Zweite Offizierin der U.S.S. Tycho», bestätigte der Computer. «Ich verfüge daher nur über die Dienstpläne der letzten zwei Wochen von der damaligen Chef-Ingenieurin ad interim, Zariah Veena.»

«Ach ja, natürlich…» T’Lora Soral trocknete sich ihr Gesicht, kehrte in den Wohnbereich zurück, trat an den Replikator und liess sich ihr Abendessen replizieren. Mit dem Teller in der Hand setzte sie sich wieder an ihren Schreibtisch und sah sich die zusammengestellten Informationen auf dem Terminal im Detail an.

Nach einigen Minuten ziellosen Stöberns schien sie auf etwas gestossen zu sein. Plötzlich stellte sie den Teller mit den Resten ihres Abendessens beiseite, beugte sich mit leicht zuckenden Antennen neugierig nach vorne und kniff ihre Augen zusammen. Sie zoomte auf die Profile von Zariah Veena und Giancarlo Conti.

Ein Lächeln huschte über Sorals Lippen und sie lehnte sich zufrieden zurück.

Kapitel 10

Aiden McGregor, der Erste Offizier der U.S.S. Tycho, hatte sein Frühstück in der Offiziersmesse beendet und näherte sich dem Ausgang, um sich auf den Weg zur Brücke zu begeben. Der Schichtwechsel – und damit der Start des ersten Tests von «Echo» – stand bevor.

«Commander!», begrüsste ihn der bolianische Chief Science Officer, Zelan Morro, der mit einem Getränk in der Hand rasch zu ihm aufschloss.

«Mr. Morro, guten Morgen.» McGregor hielt kurz inne und blickte fragend auf Morros Becher. «Bolianisches Tonic?»

«Absolut. Nur gute Tage beginnen mit heissem Tonic.» Er grinste und nahm einen genüsslichen Schluck.

McGregor lächelte und setzte sich wieder in Bewegung. «Na, dann kann ja nichts mehr schiefgehen heute.»

Die Türen des Turbolifts öffneten sich mit dem gewohnten Zischen, als sich die beiden Offiziere näherten. McGregor streckte seinen Arm in gastgeberischer Manier aus, um Morro den Lift zuerst betreten zu lassen.

Morro nickte dankend, trat in den Lift und drehte sich mit Blick zur Tür.

McGregor folgte und stellte sich neben seinen Kollegen, ebenfalls zur Tür gerichtet. «Computer, Brücke!» Die Türen schlossen sich und der Lift nahm Fahrt auf. Es verstrichen wenige Sekunden in Stille, dann runzelte McGregor die Stirn. «Wollen Sie dem Computer nicht auch Ihr Ziel nennen?»

Nun war es an Morro, die Stirn zu runzeln. «Die Brücke ist mein Ziel, Sir.»

Der Erste Offizier vertiefte seine Runzeln und blickte Morro an. «Werden Sie nicht im Labor gebraucht? Oder haben Sie schon vergessen, dass wir um 0800 mit dem ersten Test loslegen?»

«Oh…» Morros Verwirrung wich einem peinlich berührten Ausdruck. «Hat sie Commander Ramirez etwa nicht informiert, dass wir den Test verschoben haben?»

McGregor kniff seine Augen zusammen und blickte wieder nach vorne. Nach einem Moment bedrückender Stille meinte er zähneknirschend: «Offenbar… nicht.»

Der Lift bremste ab und die Türen öffneten sich. Morro war sichtlich froh, dass die Fahrt bereits zu Ende war und verliess hastig die Liftkapsel. McGregor folgte ihm verärgert hinaus auf die Brücke, auf der sich zum Schichtwechsel noch beide Schichten Gamma und Alpha tummelten. Die übrigen Führungsoffiziere waren ebenfalls alle versammelt.

Als Commander Ramirez die beiden Ankömmlinge erblickte, löste sie sich ein wenig aus der Traube, die die Offiziere in der Mitte der Brücke gebildet hatten und räusperte sich.

«Guten Morgen allerseits. Jetzt, da wir vollzählig sind: Darf ich kurz um Aufmerksamkeit bitten?» Sie wartete, bis die Gespräche der Reihe nach verstummten.

«Vielen Dank. Wir sind alle gespannt darauf, den ersten Test von ‹Echo› zu starten, der ursprünglich für jetzt angesetzt war.» Sie legte eine kurze Pause ein und blickte einigen der Anwesenden in die Augen. McGregor zeigte ihr subtil und doch offensichtlich seine Missbilligung, was sie kurz aus dem Takt brachte. «Ähm… Aufgrund der enormen Bedeutung des Projekts habe ich beschlossen, vor dem Start eine Überprüfung der Sicherheitsvorkehrungen vorzunehmen, bei der uns Lieutenant Commander Soral unterstützen wird.» Sie deutete auf die Andorianerin, die das Treiben bisher aus gebührlichem Abstand beobachtet hatte und nun grüssend nickte. «Mir ist klar: Das bedeutet eine kurze Verzögerung, aber ich bin überzeugt, dass diese Vorsichtsmassnahme uns allen zugutekommt. Es unterstreicht unser Engagement für Sicherheit und erhöht unsere Chancen auf einen reibungslosen und erfolgreichen Test. Wie lange sich der Test verzögert, ist natürlich abhängig von den Ergebnissen der Überprüfung. Bis dahin bitte ich alle Abteilungen, diese Zeit konstruktiv zu nutzen. Sobald ich mehr Klarheit habe, informiere ich Sie umgehend. Wir bleiben so lange auf unserem eingeschlagenen Kurs. Gibt es Fragen?»

Die Offiziere blickten sich an. Manche wirkten überrascht, andere zuckten in Gleichgültigkeit mit ihren Achseln.

«Gut. An die Arbeit!» Sie lächelte aufmunternd.

Soral beobachtete die Crew, die sich nun auf den Weg zu ihren Posten machten. Sie bemerkte McGregors verärgerte Körperhaltung. Ihr Augenmerk galt jedoch vor allem Zariah Veena und Giancarlo Conti, die einen längeren Blick untereinander austauschten. Conti nickte Veena beinahe unmerklich zu, die sich daraufhin prüfend umsah, ob sie beobachtet wurde. Soral wandte rechtzeitig ihren Blick ab und verfolgte aus den Augenwinkeln, wie Veena sich nun auf den Weg zum hinteren Turbolift machte und dabei immer wieder einen vorsichtigen Blick über ihre Schulter warf. Sie konnte sehen, wie Veena im Vorbeigehen einen kleinen Gegenstand auf die Operations-Konsole legte – der Konsole von Lieutenant Conti. Kaum war Veena aus dem Blickfeld verschwunden, begab sich Conti zielstrebig an seine Konsole und steckte rasch den Gegenstand ein, den Veena hingelegt hatte.

Anna Ramirez trat an Soral heran, legte ihr die Hand auf den Arm und sprach mit gesenkter Stimme: «Sobald Sie wissen, ob und wann wir den Test starten können, höre ich als Erste davon.»

«Verstanden, Ma’am», entgegnete Soral ebenso leise, ohne mit der Wimper zu zucken.

Ramirez klopfte mit ihrer Hand bestätigend auf Sorals Arm und begab sich in ihren Bereitschaftsraum. Es vergingen zwei Sekunden und McGregor folgte ihr.


Kaum hatten sich die Türen ihres Bereitschaftsraums hinter Ramirez verschlossen, ertönte der Türsummer. «Herein!», rief Ramirez und drehte sich zur Tür um.

Aiden McGregor schritt durch die Tür und wartete kurz, bis sie sich wieder geschlossen hatte. Dann schnaubte er entrüstet: «Wieso muss ich als Erster Offizier von Morro erfahren, dass der Test verschoben wurde? Ich sollte in solche Entscheidungen einbezogen oder zumindest unmittelbar darüber informiert werden.»

«Oh.» Anna Ramirez nickte zögernd, als ihr das Versehen langsam bewusst wurde.

«Das ist schlechter Führungsstil! Und diese Andorianerin… Hat sie jetzt schon das Sagen hier und niemand weiss davon – oder was läuft da?», schob McGregor nach und stemmte seine Hände in die Hüften.

Ramirez, soeben noch im Begriff, verständnisvoll zu reagieren, fühlte sich nun angegriffen: «Hey! Vorsicht, Commander.» Sie blickte ihn einen Augenblick streng an. Dann ging sie um ihren Schreibtisch herum und setzte sich.

Mit kühler Stimme fuhr sie fort: «Wo wir schon über Führungsstil sprechen: Mit Ihrer Körpersprache da draussen haben Sie allen gezeigt, dass wir als Duo noch nicht funktionieren.»

McGregor wollte erwidern, doch Ramirez hob ihre Hand und unterbrach ihn damit, bevor er sprechen konnte. «Ich bin noch nicht fertig. In Zukunft erwarte ich, dass Sie vor der Crew eine geschlossene Linie zeigen. Ohne Ausnahme. Ob Sie im Bilde sind oder nicht. Kritik wird unter vier Augen geäussert. Wegtreten!»

«Unter vier Augen? So wie jetzt?», verteidigte sich McGregor.

«Ich sagte: Wegtreten.» Ramirez blickte ihn mit versteinerter Miene an.

McGregor stand noch einen Augenblick da. «Unter Protest», gab er bei und fügte betont an: «Captain.» Dann wandte er sich ab und verliess den Bereitschaftsraum.

Nachdem sich die Türen hinter McGregor geschlossen hatten, sass Ramirez noch einen Moment angespannt da, bevor sie sich erhob und mit leicht zitternden Händen an der Tischkante festhielt. Sie schloss ihre Augen und atmete ein paar Mal tief ein und aus. Als sie ihre Augen wieder öffnete, ballte sie ihre Hände zu Fäusten und schlug auf den Tisch. «Verflucht, das kannst du besser, Anna Maria Ramirez Sanchez!»